Aktion Wasserbüffel: Wasserprojekt

 
   
 
     
 

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Wasser für Städtische Arme in Cebu City

Im Großraum Metro Cebu lebt etwa 1 Million Menschen, davon 70% in 26 Stadtbezirken für "Städtische Arme", ohne Infrastruktur wie Wasserversorgung, Kanalisation, Müllabfuhr. Im Zuge der rasanten Entwicklung des Wirtschaftszentrums Cebu werden sie häufig zugunsten von Industrieansiedlungen zwangsumgesiedelt. Im ersten Quartal 1996 fielen Wohngebiete von 3200 Familien der Zerstörung

 
   
 
 
     
  zum Opfer. Ein Teil des Wohngebietes Ermita der Städtischen Armen, das von der Aktion Wasserbüffel im Jahr 1996 besucht wurde, fiel im April 1997 einem Brand zum Opfer. An dieser attraktiven Stelle am Meer plant die Provinzregierung seit langem die Errichtung von Miet- und Eigentumswohnungen gehobener Preisklasse. Marylen Cinco vom Entwicklungszentrum der Städtischen Armen erzählte uns 1996 von ihrem wichtigsten Projekt. In zähen Verhandlungen wurde erreicht, daß die Stadt Einspeisestellen für Trinkwasser zur Verfügung stellt. Das Verlegen einer Wasserleitung in das Wohngebiet und die Verteilung des Wassers ist Sache der lokalen Organisation. Dazu schlägt die Selbsthilfeorganisation etwa 20% auf den Abgabepreis auf. So wird Geld für weitere Wasserprojekte angesammelt.

"Aktion Wasserbüffel" hat die Trinkwasserversorgung des Stadtbezirkes Pasil mit 200 Familien gefördert, die seit Anfang '98 in Betrieb ist. Für dieses Wohngebiet garantiert die Kommune ein langfristiges Wohnrecht für die Städtischen Armen. Aktion Wasserbüffel unterstützt weiter ein Projekt Menschenrechtserziehung, so daß die Bewohner lernen, ihre Rechte wahrzunehmen.

 
   
 
 
     
 



Juni 1996
Aus dem Reisebericht von 1996

Für Karfreitag, an dem unzählige Prozessionen mit realistischen Kreuzigungsszenen die Straßen von Cebu City durchziehen, verabreden wir uns zu einem Gespräch mit der Menschenrechtsorganisation Task Force Detainees - was soviel heißt wie Einsatzgruppe für politische Gefangene -, die das Büro mit dem Entwicklungszentrum der "Städtischen Armen" teilt. Die Menschenrechtler und die Organisatoren der "Städtischen Armen", die hier in dem kleinen Büroraum, der eher wie ein Lagerraum wirkt, versammelt sind, kämpfen gemeinsam gegen die Verletzung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Städtischen Armen. Im Großraum Metro Cebu, der aus den drei miteinander verwachsenen Städten Cebu City, Mandaue City und Lapu-Lapu City besteht, wohnt etwa 1 Million Menschen, davon sind knapp 70% "Städtische Arme", insgesamt 130.000 Familien. Sie leben in 26 Stadtbezirken, die zu Wohngebieten für "Städtische Arme" erklärt worden sind. Im Zuge der rasanten Entwicklung des Wirtschaftszentrums Metro Cebu werden sie häufig willkürlich und ohne Kompensationszahlung aus ihren Wohngebieten zwangsumgesiedelt oder einfach durch eine Zerstörung ihrer Häuser vertrieben.Allein im ersten Quartal 1996 fielen die Wohngebiete von 3200 Familien der Zerstörung zum Opfer, überwiegend zur Förderung des Tourimus. Das Ministerium für Tourismus hat nämlich Cebu zur Nummer eins in der Tourismusförderung erklärt "wegen seiner gesunden und friedlichen Geschäftsatmosphäre und der Nähe zu erholsamen Badestränden am Meer". Leider hatte aber keiner der an unserem Tisch versammelten Gesprächspartner diese idyllischen Badestände bisher besuchen können. Es ist einfach zu teuer für sie. Die Kehrseite der Tourismusförderung ist die Zunahme der Prostitution. 1995 ist die Zahl der offiziell registrierten Prostituierten um 300 auf 3200 angestiegen und an den Badestränden findet man in großem Maßstab Kinderprostitution.

Die philippinische Regierung versucht in großem Maßstab, ausländische Investoren durch günstige Angebote und steuerliche Anreize ins Land zu locken. In Cebu wird diese Entwicklung von der Familie Osmena gefördert, die zu den 100 Familien zählt, denen noch von der spanischen Kolonialzeit her Reichtum, Boden und politische Macht auf den Philippinen gehören. Den Namen Osmena tragen oder trugen Senatoren, Gouverneure, Bürgermeister und andere Inhaber wichtiger Funktionen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft auf Cebu.

Die Entwicklung von Cebu bedeutet für die Mehrzahl der Einwohner eine soziale und wirtschaftliche Rückentwicklung. Die Lebenshaltungskosten sind innerhalb eines Jahres um 11% gestiegen. Eine geringfügige Anhebung der Mindestlöhne gilt nicht für die überwiegend im Dienstleistungsgewerbe Beschäftigten, die nur saisonal und zu irregulärer Bezahlung Beschäftigung erhalten.
Der Kellner, der uns bei einem Abendessen im Cafe Cesario gegenüber unserem Hotel bedient, verdient an einem Zwölfstundentag 120 Pesos. Am Trinkgeld hat er keinen Anteil. Demgegenüber steht die amtliche Angabe, daß die Armutsgrenze für eine philippinische Durchschnittsfamilie von sechs Personen bei etwa 490 Pesos pro Tag liegt. Seine Frau arbeitet daher als Verkäuferin auf dem Markt. Ihre drei Kinder sind bei Nachbarn oder Verwandten. Während er uns das erzählt, sieht er sich dauernd um, offensichtlich hat er Angst um seinen Arbeitsplatz. Wir geben außer dem offiziellen Trinkgeld heimlich ein inoffizielles, das er behalten kann.

Die Gesprächsteilnehmer an unserem runden Tisch stammen alle aus den Siedlungsgebieten der Städtischen Armen. Was uns verblüfft, ist ihr Mut, ihr Selbstvertrauen und die Fröhlichkeit, mit der sie ihre gigantischen Probleme angehen. Die vielen angeblich schweren Probleme in Deutschland schrumpfen aus der Ferne bei der Konfrontation mit wirklichen Problemen. Armutsgrenze heißt hier nicht Konsumverzicht sondern Unterernährung, Mangelkrankheiten und Tod. Niemand hier wird durch ein soziales Netz aufgefangen. Dafür ist die familiäre und mitmenschliche Solidarität stärker. Sie endet allerdings auch hier an den Bruchstellen der sozialen Schichtung, die Oberschicht verteidigt ihre Privilegien kompromißlos. Diese Gesellschaft weist alle Merkmale auf, die bei uns als Vorbedingung für einen Aufschwung genannt werden. Die Löhne sind konkurrenzlos niedrig, Lohnnebenkosten gibt es fast nicht, Kündigungsschutz gibt es nicht, Lohnfortzahlung gibt es nicht. Das Bruttosozialprodukt stieg in den letzten Jahren um jeweils etwa %. Aber - die offizielle Arbeitslosigkeit liegt nach wie vor bei mehr als 20%, die verdeckte durch Unterbeschäftigung und Selbstbeschäftigung hebt sie auf nahezu 50% an. Dafür aber kann sich eine schrankenlos reiche Elite Dienstleistungen, z.B. in Form von Haushaltshilfen, fast zum Nulltarif kaufen. Südostasien, das Vorbild für unsere Wirtschaft?

Marylen Cinco, Sozialarbeiterin des Entwicklungszentrums der Städtischen Armen, die uns mit ihren Kenntnissen der Verhältnisse in Deutschland, vor allem der sozialen Entwicklung verblüfft, ist in Ermita, einem Wohngebiet der Städtischen Armen, geboren und aufgewachsen. Sie hat unter großen Opfern ihrer Eltern die Schule und dann das College besucht und hat ihre Hochschulausbildung als staatlich anerkannte Sozialarbeiterin abgeschlossen. Während ihrer gesamten Schulzeit mußte sie als Verkäuferin auf dem Markt arbeiten.
Sie erzählt von einem der wichtigsten Projekte, das sie zusammen mit den Selbsthilfeorganisationen der einzelnen Wohngebiete angepackt hat, die Versorgung mit Frischwasser. In zähen Verhandlungen wurde erreicht, daß die Stadt Einspeisestellen für Trinkwasser zur Verfügung stellt. Die Wasserabgabe durch die Stadt erfolgt zur Hälfte des Preises, der bei Einzelabgabe an viel weiter entfernten städtischen Wasserzapfstellen gezahlt werden muß. Das Verlegen einer Wasserleitung von der städtischen Versorgungsleitung bis in das jeweilige Wohngebiet ist Sache der lokalen Organisation. Die lokale Selbsthilfeorganisation schlägt etwa 20% des Preises auf. Damit wird eine Stelle für die Verteilung des Wassers, die Abrechnung und den Service für die zentrale Zapfstelle eines Wohnbezirks geschaffen. Zum anderen wird die Organisation finanziert und Geld für weitere Wasserprojekte angesammelt. Bisher sind drei der elf Wohngebiete, die über eine Selbsthilfeorganisation verfügen und Mitglied der Dachorganisation der Städtische Armen sind, auf diese Weise an Trinkwasser angeschlossen.
Am Nachmittag brechen wir nach Ermita auf, um eine Wasserversorgung anzusehen. Elendsviertel oder Slum würden wir in Europa zu diesem Wohnviertel sagen, aber wir müssen uns ins Gedächtnis rufen, daß nahezu 70% der Einwohner von Metro Cebu in solchen Verhältnissen leben. Es sind keineswegs verwahrloste Menschen von den Rändern der Gesellschaft, sondern die Mehrzahl der Bewohner von Cebu City, die nicht zur Oberschicht gehören und die sich bemühen, aus diesen Verhältnissen ohne Müllabfuhr, ohne Kanalisation oder sonstige Infrastruktur, die wir in Europa alle so selbstverständlich finden, das Beste zu machen. Es ist auffällig, daß fast alle Menschen hier aussehen, als hätten sie ihre Kleidung gerade erst frisch gewaschen und gebügelt. Wie sie das trotz der mangelhaften Wasserversorgung schaffen, ist uns unbegreiflich. Was uns weiter auffällt, ist das konfliktarme Spiel der Kinder untereinander. Die Präsidentin der Selbsthilfeorganisation von Ermita erläutert uns dann, wie die Wasserverteilung organisiert ist.

Uns fasziniert diese Selbsthilfe, die das lebensspendende Wasser beschafft und die Entwicklung der Gemeinschaft fördert. Ein solches Projekt paßt sehr gut in die Zielsetzung der Aktion Wasserbüffel.
Wir fragen Marylen, ob sie innerhalb einer Woche einen Projektvorschlag zur Versorgung eines weiteren Wohngebietes ausarbeiten kann. Als wir eine Woche später am Flughafen eintreffen, erwarten uns Marylen und die Vorsitzende der Frauenliga der Städtischen Armen, Violeta Jacmoc, am Flughafen. Mit einem uralten ausgeliehenen Lieferwagen fahren wir gemeinsam ins Hotel und sparen auf diese Weise sogar die Taxikosten von  100 Pesos. Beim Abendessen legen sie uns ihren ausgearbeiteten Vorschlag vor.