Eine Reise auf die Philippinen im März 2001
Reisebericht von Helga und Dr. Jochen Range
Zusammenfassung
Im März 2001 reisten wir, Helga und Jochen Range von der Aktion Wasserbüffel e.V., zu einer Projektreise auf die Philippinen. Ziel war es, laufende Projekte zu besuchen, alte Kontakte aufzufrischen und neue Kontakte zu erschließen. Die Reise dauerte 3 Wochen und hatte die Stationen Manila/Quezon City, Zamboanga, Bacolod, Kabankalan/Cara-an, Cebu, Panglao/Bohol, Cebu, Manila. Die Reise war für alte und neue Projekte sehr erfolgreich.
Wir hatten das weitere Anliegen, durch persönliche Kontakte einen Überblick über die aktuelle politische Lage und über die Menschenrechtssituation auf den Philippinen zu gewinnen. Dies konnten wir durch Gespräche mit Betroffenen im Land erreichen. Das ist für unsere Arbeit als Philippinenkoordinatoren der Deutschen Sektion von amnesty international unerläßlich. Die größten Menschenrechtsprobleme entstehen durch den immer noch schwelenden Konflikt in Mindanao zwischen philippinischer Armee und aufständischen Moslems, die nach Unabhängigkeit streben. Zu den direkten Besorgnissen von amnesty international ist zu zählen, dass das gesamte Justiz- und Strafvollzugsystem marode ist. Nach wie vor wird in Gefängnissen gefoltert, geschehen willkürliche Verhaftungen. 1700 Verurteilte sitzen in den Todeszellen, wobei die neue Präsidentin zunächst die Absicht geäußert hat, dass sie alle zur Hinrichtung anstehenden Fälle in lebenslange Strafen umwandeln will.
Der zweite große Konfliktherd ist die schlechte wirtschaftliche und soziale Situation des größten Teils der Bevölkerung, was in der Vergangenheit, aber auch bis heute, zu bürgerkriegsähnlichen Situationen geführt hat. Die politische Lage ist durch Unsicherheit und Instabilität nach Ablösung des korrupten Präsidenten, der sich Erap, Kumpel der Armen, nennt, durch die neue Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo, gekennzeichnet. Expräsident Estrada steht unter Anklage der Ausplünderung des Staates. Er hat noch viele Anhänger unter den Armen, aber auch unter den führenden Politikern. Präsidentin Macapagal Arroyo tut sich schwer, die armen Leute für sich zu gewinnen. Sie gilt als ausgeprägte Globalistin und Wirtschaftsliberale. Daher steht die neue Regierung keineswegs auf sicheren Füßen.
In katastrophalem Zustand ist das System der Krankenversorgung. Es gibt praktisch kein bezahlbares Krankenversicherungssystem für die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Wer eine schwere Krankheit hat, ist wirtschaftlich ruiniert.
Beklagenswert ist auch das Bildungssystem. Insbesondere eine gehobene Ausbildung ist für den größten Teil der Bevölkerung nicht erschwinglich. Im neuen Schuljahr fehlen wieder 20.000 Klassenräume und 10.000 Lehrer. Im Durchschnitt müssen sich acht Kinder ein Schulbuch teilen. Als Extremfall sei eine Elementarschule in Quezon City genannt. Sie hat etwa 4500 Schüler, 60 Lehrer und 22 Klassenräume.
Hier setzt die Hilfe zur Selbsthilfe der Aktion Wasserbüffel an, die jetzt an mehreren Stellen Schulprojekte finanziell unterstützt.
Persönlich fällt uns auf, dass die Menschen weniger fröhlich, weniger hilfsbereit und gehetzter wirken. Die Globalisierung hat ihre Spuren auch hier hinterlassen. Die Solidarität scheint einem Egoismus und dem Streben nach dem eigenen Vorwärtskommen gewichen zu sein. Die entspannte fröhliche Atmosphäre trotz aller Probleme, die wir immer so bewundert haben, ist zurückgedrängt.
Manila und Quezon City, die Startbasis
Mit der Fluglinie Emirates fliegen wir nach einem Stopover von Dubai nach Manila. Die Preise auf den Philippinen sind seit unserer letzten Reise 1998 inflationär gestiegen. Daher wundert es uns nicht, dass am Flughafen die Taxifahrer 900 Pesos, entsprechend etwa 45 Mark, für unsere Fahrt zum Hotel Danarra in Quezon City verlangen. Wir sind schon zufrieden, den Preis auf 550 Pesos herunter zu handeln. Immer noch viel zu viel, wie sich später herausstellt. Wir haben zwar keine Pesos, aber wir sind zuversichtlich, unsere Dollars an der Rezeption unseres Hotels tauschen zu können. Das haben wir früher immer gekonnt. Aber, die erste Enttäuschung: Die verschlafene Angestellte an der Rezeption hat dazu keine Ermächtigung. Wir müssen also in Dollars bezahlen, nun aber zu einem so schlechten Kurs, dass unser Handeln um den Preis fast nutzlos war. Das ist nur das erste Indiz dafür, dass unser Hotel, in dem wir zum dritten Mal sind, herunterkommt. Später erleben wir die Enttäuschung, dass das Gartenrestaurant nicht mehr bewirtschaftet wird und das in unserem Bad Ungeziefer herumläuft. Trotzdem, wir bleiben hier und improvisieren. Wir bringen das Restaurant im Inneren dazu, uns draußen dennoch zu bedienen, die Käfer im Bad laufen jedesmal erschreckt in die Ecken, wenn wir die Dusche anstellen und statt des nicht vorhandenen Computers im Geschäftszentrum des Hotels nutzen wir ein Internetcafe. Trotzdem fühlen wir uns im Hotel wohl, nachdem wir alles geregelt haben. Das Gartenrestaurant ist lauschig, die Zimmer sind große Suiten, die Lage in Quezon City ist optimal für Kontakte mit vielen Nichtregierungsorganisationen. Außerdem ist das Hotel preiswert. Wir treffen Verabredungen für den Rückweg, denn dann bleiben wir mehrere Tage hier.. Leider finden wir eine Absage von Maureen Loste, die schon zweimal bei uns in Jülich war und die indigenen Igorot aus der Cordillera vertreten hat. Sie ist jetzt beim nationalen Kirchenrat in Manila tätig. Wir hatten uns per Email verabredet, aber sie hat leider eine wichtige Konferenz in Cebu City. Wenn wir dorthin kommen, reist sie schon wieder nach Manila ab.
Als lobenswert ist hervorzuheben: Unsere Flugkarten und Informationen für unsere sämtlichen Inlandsflüge sind pünktlich und fehlerfrei von der philippinischen Reiseagentur Bridges Travel Tours mit den jeweils günstigsten Verbindungen und Preisen im Hotel hinterlegt worden. Ein Muster an Organisation. Wir hatten den Kontakt von zu Hause aus über das Internet und Emails gemacht. Schon damals hatten uns die gute Arbeit und die niedrigen Gebühren gefallen.
Unser erster Flug nach Zamboanga startet morgen früh, mit einer kurzen Zwischenlandung in Cebu City, wo wir unsere Freunde Kati und Jack Jacela am Flughafen treffen werden
Zamboanga – Stadt der Blumen
Unsere erste Station nach Manila ist Zamboanga City oder auch Zambo, wie die auf Abkürzungen erpichten Filipinos die Stadt auf dem südwestlichen Zipfel des Archipels nennen. Zambo ist die Stadt der Blumen und der Früchte.
Von Zamboanga laufen die Schiffe und Boote in Richtung der Insel Jolo aus, auf der die militante Moslemorganisation Abu Sayyaf im vorigen Jahr ihre Geiseln, darunter de Göttinger Familie Wallert, gefangen hielt. Zamboanga City wächst schnell und hat jetzt etwa ein halbe Million Einwohner.
Am Flughafen empfangen uns Zenaida Sabaani-Lawi, kurz Zeny genannt, und ihr Mann Malik von der Organisation MURID. MURID hat sich den Kampf für die Selbstbestimmung muslimischer Frauen, vor allem aus den ärmsten Schichten, auf die Fahnen geschrieben. Malik war noch vor einer Woche Patient am Nationalen Dialysezentrum in Manila. Seine Nieren haben nur noch eine zehnprozentige Funktion.
Das Hotel, das sie für uns reserviert haben, ist das Lantaka, das direkt am Meer liegt, mit Aussicht auf die Insel Basilan, die größte der von Muslims bewohnten Inseln in der Zulu-See. Sie ist etwa so groß wie das Saarland. MURID hat auf Basilan ebenso wie auf Jolo und in den Randzonen von Zamboanga City Entwicklungsprojekte für Frauen und Kinder geplant. Auf Vorschlag von Malik wollten wir die möglichen Projektorte dort besuchen. Natürlich hatten uns zu Hause alle besorgten Freunde davon abgeraten, dieses Zentrum der muslimischen Widerstandsorganisation MILF, der Islamischen Befreiungsfront der Moros, zu besuchen. Selbst die Abu Sayyaf hat dort Stützpunkte, wie die neuerliche Geiselaffäre zeigt.
Als wir uns zu einem frischen Mangosaft und einer Portion Kinilaw, einem erfrischenden Salat aus rohem Fisch, Ingwer und Zwiebeln, auf der Hotelterrasse niederlassen und den Blick über die alte spanische Kanone hinweg in Richtung Basilan schweifen lassen, zeigen uns Zeny und Malik ihren Programmvorschlag für die vier Tage. Basilan entfällt zu unserer Enttäuschung, im Nachhinein angesichts der neuen Geiselaffäre sind wir froh darüber. Der Mann, der Garant für unsere Sicherheit hätte sein sollen, ist gerade in Saudi Arabien. Das ist wohl der Mann, der vermutlich auch zu den verschiedenen militanten Organisationen direkte Kontakte hat. Ohne ihn kann unsere Sicherheit nur zu 70% garantiert werden. Erschwerend kommt laut Malik hinzu, dass wegen der bevorstehenden Wahlen auf den Philippinen, die fast immer auch mit einem Höhepunkt an Gewalttaten verbunden sind, einige Wahlkämpfer auch daran denken könnten, ihre Wahlkampfkosten durch Lösegelder zu decken.
Eigentlich ist geplant, dass wir den Rest des Nachmittags für uns haben, aber Zeny und Malik lassen es sich nicht nehmen, uns auf einem kurzen Gang durch die Stadt, der auch ein Gang durch die Geschichte ist, zu begleiten. An die Kolonialzeit der Spanier erinnert das Fort Pilar, das ganz in der Nähe von Hotel Lantaka mit seinen wuchtigen Mauern die frühere Macht der spanischen Krone erinnert. Die amerikanische Kolonialzeit wird unter anderem durch den Platz Pershing lebendig. Er ist nach dem gleichnamigen General benannt, der sich bei der Niederschlagung muslimischer Aufstände gegen die US-amerikanischen Besatzer zu Anfang des 20. Jahrhunderts hervorgetan hat und nach dem auch die entsprechenden Raketen benannt sind. Auch unser Hotel ist ein Überbleibsel amerikanischer Besatzung, es war früher eine amerikanische Kaserne.
Am nächsten Morgen kommt Zeny eine Stunde zu spät und mit der Hiobsbotschaft, dass Malik wieder mit Nierenversagen in die Dialysestation eingeliefert worden ist. Unser Besuchsprogramm muss gekürzt werden, denn Zeny wird dringend zu den Vorbereitungen für die große Frauendemonstration am Internationalen Frauentag übermorgen gebraucht. Wir unterstützen spontan diese wichtige Arbeit von MURID für die Rechte der Frauen mit einer Spende der Aktion Wasserbüffel. Damit machen wir es den Frauen aus den Gemeinden Manicahan, Recodo und Arena Blanco, in denen MURID Projekte hat, möglich, zum Frauentag nach Zamboanga zu kommen. Sie hätten sonst das Fahrgeld von jeweils etwa 20 Pesos (ca. 1,- DM) nicht bezahlen können.
Trotz aller Zeitnot fahren wir noch am Vormittag nach Recodo im Westen von Zambo. MURID hat dort ein Mikrofinanzsystem aufgebaut. Die kleinen Leute haben auf den Philippinen keine Chance, Kredite zu bekommen, ja im allgemeinen können sie nicht einmal ein Konto bei einer Bank eröffnen. Die Geschäfte mit ihnen lohnen sich einfach nicht. Dort springt MURID ein. Die Organisation hat eine Art privater genossenschaftlicher Sparkasse gegründet. Dort können die armen Landbewohner geringe Summen ansparen und dann ein Anschaffungsdarlehen erhalten, zum Beispiel für ein neues Fischerboot oder einen Hausbau. MURID seinerseits hat die Möglichkeit, diese Kredite bei einer Bank aufzunehmen. Der Zinssatz allerdings jagt uns einen Schauder den Rücken hinunter, er liegt zwischen zwei und zweieinhalb Prozent – im Monat! Und so muss ihn auch MURID an die Kleinverbraucher weitergeben. Bevor wir aber nach Recodo kommen, machen wir Station in Maasin. Weiter fährt unser Taxi nicht. Maasin ist ein kleines Dorf am Meer. Die Menschen leben vom Fischfang, vor allem aber von der Arbeit in den Algenfarmen. Wir werden herzlich und gastfreundlich vom Dorfbürgermeister - Barangay Captain heißt das auf den Philippinen - Panglima Jalalain Ahid und den Mitgliedern der Algenfarmerkooperative empfangen. Sie brennen darauf, uns ihre großen Probleme zu erzählen, als sie erfahren, dass wir für amnesty international arbeiten. Wir müssen ihre Hoffnungen auf Hilfe dämpfen, denn für ihre sozialen und wirtschaftlichen Rechte können wir wenig tun. Aber wir versprechen, für ihre Probleme auch in unserem Land Verständnis zu wecken. Nachdem der Barangay Captain wegen der Würde des Alters und der Stellung zuerst das Wort ergriffen hat, darf Hussin, ein wacher intelligenter junger Mann, der an der Hochschule von Zamboanga Kriminologie studiert hat und der jetzt der verantwortliche Betreuer der Algenfarmen ist, die Probleme schildern. Der Vorteil: Er spricht Englisch und nicht Tausug, die einheimische Sprache. Wir erfahren: Die Algen, die hier im flachen Küstenmeer plantagenmäßig angebaut werden, werden in der Nahrungsmittelindustrie und für medizinische Produkte weltweit verwendet. Sie heißen in der halbfertigen Produktform Agar-Agar. Achtzig Prozent der Weltproduktion werden in Mindanao erzeugt und davon wiederum der größte Teil aus der Umgebung von Zamboanga. In den letzten Jahren wird zunehmend Agar-Agar in großen industriellen Farmen in Indonesien angebaut, wodurch der Weltmarktpreis sinkt. Die Erlöse reichen dann nicht mehr aus, um die Farmen und die Boote in Schuss zu halten. Kredite zur Verbesserung der Farmen gibt es nicht oder zu hohen Zinsen. Dadurch sinken die Erträge weiter. Es ist ein Teufelskreis. Auch eine bakterielle Krankheit bedroht die Algenbestände seit mehreren Jahren. Dazu kommt, dass seit einiger Zeit die Taifune im Zusammenhang mit der Klimaerscheinung El Niño weiter nach Süden ausholen und die Algenfarmen beschädigen. Es gibt eine staatliche Stelle, die Farmern hilft, wenn sie durch starke Naturkatastrophen geschädigt sind. Aber Hussin wird seit zwei Jahren von einer Stelle zur anderen verwiesen. Er hat sich schließlich an den Landwirtschaftsminister Angara gewandt aber keine Antwort erhalten. Hussin gibt uns eine Briefkopie. Vielleicht könnten wir etwas tun, weil wir als amnesty international Verbindung zu Regierungsstellen haben? Wir bemühen uns, allzu große Hoffnungen zu dämpfen, aber unsere Warnungen prallen an ihren hoffnungsvollen Blicken ab.
Jetzt müssen wir die Algenfarmen sehen, meint Hussin. Wir balancieren über die dünnen Bambusplanken des brüchigen Bootssteges. Im Wasser schaukelt ein Boot wie eine Badewanne aus Holz. Es hat nicht einmal Ausleger. Wir zögern, den schwankenden Seelenverkäufer zu besteigen. Schließlich vertrauen wir uns dem selbstbewussten jungen Mann an, der uns mit einem einfachen Holzbrett zu den Algenfarmen paddelt, die viele hundert Quadratmeter des Meeres bedecken. Es sind in Holzrahmen gespannte Seile, auf denen die Algen wachsen. Sie werden mit einfachen Harken abgeerntet und mit den schwankenden Booten an Land transportiert. Dort werden sie auf Holzplattformen durch die tropische Sonne getrocknet und dann in einer Fabrik in Handarbeit weiterverarbeitet. Aber von diesem Zeitpunkt gehören sie dann schon dem Fabrikbesitzer, der auch den Weiterverkauf besorgt. Er hat das Monopol und setzt die Preise für die Kooperative der Algenfarmer fest. Fast alle Dorfbewohner winken zum Abschied, als wir mit einem Jeepney das Dorf in Richtung Recodo verlassen. Der Jeepney ist ein verlängerter und am Boden verstärkter Jeep, so dass er eine Art Kleinbus darstellt. Jeepneys sind das wichtigste Transportmittel der Philippinen. Dieser Jeepney ist für philippinische Verhältnisse leer, es sitzen fünfzehn Passagiere drin. Sonst sind es bis zu fünfzig, die sogar auf Dach und Kühlerhaube mitfahren.
Recodo ist ein staubiges, verschlafenes Nest. In dem kleinen Büro von MURID ist die heiße Luft fast zum Schneiden. Vier Angestellte hat das Mikrofinanzprojekt. Die Hauptarbeit besteht in der Betreuung der einzelnen Spargruppen, erzählt Zweigstellenleiter Allen. Die Kleinprojekte, für die Kredite beantragt werden, müssen innerhalb der Gruppen vorgestellt und genehmigt werden. Außerdem ist es die Aufgabe der Angestellten, regelmäßig die Sparbeiträge in den weit verstreuten Ortschaften einzusammeln. Das ist nicht ganz ungefährlich und erfolgt überwiegend zu Fuß, da die Wege für Fahrzeuge unpassierbar sind.
Zeny drängt zum Aufbruch. Es bleibt viel zu tun für die Vorbereitung des Frauentages. Leider können wir die Vorsitzenden der Frauenvereinigung von Recodo nicht treffen. Sie wurden nicht rechtzeitig von unserem Besuch benachrichtigt. Das ist bedauerlich, denn Recodo ist einer der Orte, die von MURID für die Einrichtung eines Kinderzentrums benannt wurden. Wir wollten überprüfen, ob es sich als Projekt für Aktion Wasserbüffel eignet.
Ein Tricycle sammelt uns auf. Das ist ein dreirädriges Leichtmotorrad mit einem Seitenaufbau, auf dem zwei Europäer oder bis zu vier Filipinos Platz haben. Es ist das häufigste Verkehrsmittel für Kurzstrecken auf den Philippinen und ist für uns selbst dann billig, wenn wir mit zehn Pesos für zwei Personen den doppelten Preis für mehr als fünf Kilometer bezahlen müssen. Den Rest der Strecke nach Zambo fahren wir wieder mit dem Taxi. Nach einem Bummel über den lauten, bunten, duftenden Markt können wir eine Ruhepause im kühlen Hotelzimmer und auf der Hotelterrasse direkt am Meer gut gebrauchen. Wir lassen die Ereignisse des Tages Revue passieren und machen uns Notizen.
Auch der Ort Manicahan etwa zwanzig Kilometer östlich von Zamboanga ist für uns am nächsten Tag eine Enttäuschung. Aplaya als Zielregion, ein Teil von Manicahan, ist nur von Moros (Muslims) bewohnt. Fast alle gehören dem Volk der Badjao an. Die Bevölkerungszahl beträgt 7000. Die Menschen leben vom Fischfang, von der Arbeit in Algenfarmen und vom Straßenhandel. Auch hier scheint unser Kommen nicht angekündigt worden zu sein. Wir werden dem Imam des Ortsteiles, in dem MURID 1995 eine Frauenorganisation gegründet hat, vorgestellt. Er spricht wie alle hier fast kein Wort Englisch. Einige Frauen schließen sich unserem Gang durch den Ort an. Alles wirkt hoffnungslos und verfallen, der Ortsteil ist teilweise im Schlamm der Küstenregion gebaut und wird periodisch vom Meer überschwemmt. 700 Kinder unter sechs Jahren leben hier. Viele von ihnen leiden an kleineren oder größeren Krankheiten wie Lungenentzündung, Husten und Erkältung, Gastroenteritis, Hautkrankheiten, Parasiten, Hepatitis B und normalerweise Unterernährung. Die Kinder, die uns bei unserem Gang umschwärmen, wirken verwahrlost und – was auf den Philippinen eher auch in armen Vierteln selten ist - schmutzig. Viele betteln uns an. Sie strecken die Hand aus: "Money, Money." Helga findet die beste Gegenwehr, nämlich mit gleicher Münze zu antworten. Da lachen die Kinder. Das Betteln ist in ein Spiel umgewandelt worden. Wenn es irgendwo nötig ist, ein Kinderbetreuungszentrum zu bauen, dann hier. Im Sitzungsraum der Frauenorganisation wird uns eine etwa dreißigjährige Frau vorgestellt. Sie ist die ehemalige Lehrerin der Kindergartenschule und soll es wohl auch bei der geplanten Neueröffnung wieder werden. Sie wirkt lustlos und ohne Initiative. Das ist kein Wunder, denn wir erfahren, dass sie sieben Kinder geboren hat und aufzieht. Wir fragen Zeny, ob sie wohl ein gutes Vorbild für eine modernere Auffassung von Geburtenplanung und eine Emanzipation der moslemischen Frauen ist.
Wir kommen am größten Haus von Aplaya an. Es ist das einzige Steinhaus. Es ist die Moschee. Der Imam ist stolz auf das ansehnliche Gebäude. Wir erfahren von Zeny: Die Moschee steht teilweise auf dem Grundstück, auf dem früher der Kindergarten stand. Das Projekt war von terres des hommes Niederlande gefördert worden, erfahren wir durch beständiges Nachfragen. Die Förderung wurde dann aus von uns nicht ermittelbaren Gründen eingestellt. Dennoch hätte man sicherlich Möglichkeiten gehabt, in Eigeninitiative das Zentrum weiter zu betreiben, denken wir. Aber in der vagen Hoffnung auf einen Neubau durch eine staatliche Stelle hat man das Gebäude abgerissen und das Gelände der Moschee überlassen. Später erfahren wir von einer Menschenrechtsorganisation in Cebu, dass die Badjao als besonders verhaftet in ihren religiösen Traditionen gelten und bildungsfeindlich sein sollen. Die Frage ist also, ob der Abriss des Kinderzentrums nicht auch in der Absicht der konservativ religiösen Gruppierungen um den Imam lag und durch Druck erreicht wurde. Auf jeden Fall kann man Aplaya nicht anmerken, dass es jemals ein Projekt zur Kindererziehung dort gab. Auf der Rückfahrt mit dem Taxi kommen wir am Sitz des christlichen Bürgermeister von Manicahan vorbei. Es ist ein repräsentatives Gebäude, dem man die Armut des Ortes Manicahan, vor allem aber des moslemischen Ortsteiles Aplaya, ganz und gar nicht ansieht.
Arena Blanco, unser nächstes Ziel, liegt auf halbem Weg zurück nach Zamboanga. Aber unser Taxifahrer denkt gar nicht daran, an einer Weggabelung dem Schild nach Arena Blanco zu folgen. Stattdessen fährt er Richtung Zamboanga. Wir verlangen, dass er hält und bitten Zeny um Aufklärung. Wir erfahren, dass er jetzt Dienstende hat und das Taxi einem anderen Fahrer in Zamboanga übergeben muss, der uns dann nach Arena Blanco fahren soll. Wir denken gar nicht daran, den Weg zweimal zu fahren und vor allem auch zu bezahlen. MURID hat nämlich mit dem Taxiunternehmen einen Pauschaltarif von 150 Pesos pro Stunde vereinbart. Der erscheint uns sehr ungünstig. Es scheint so, dass MURID bei europäischen Besuchern auf die sonst übliche Verhandlung über günstige Tarife verzichtet, weil es den "reichen" Europäern ja nichts ausmacht, etwas höhere Preise zu zahlen. Wir zahlen den Fahrer aus. Zeny ist etwas verärgert und meint, es sei unsere Schuld, wenn wir jetzt nicht nach Arena Blanco kommen. Aber plötzlich kommt unser Taxi zurück und siehe da, wir fahren zum wesentlich günstigeren Taxameterpreis nach Arena Blanco.
Der Empfang in Arena Blanco ist viel gastfreundlicher als Manicahan. Norma Ibrahim, Präsidentin der Frauenvereinigung, lädt uns in ihr Haus ein, das auch als Versammlungsraum dient. Die aktive Frauenvereinigung hat hier 32 Mitglieder. Der Ort hat eine gemischte christlich muslimische Bevölkerung. Das Sozialministerium hat hier vor einiger Zeit einen Kindergarten eingerichtet, allerdings keine Vorschule. Die Frauenvereinigung tritt in ihren politischen Forderungen sehr zurückhaltend auf. Die Frauen haben Angst, dass ihre Familien vertrieben werden, wenn sie politische Forderungen stellen. Grund und Boden, auf dem sie wohnen, gehört nämlich nicht ihnen, sondern der Gemeinde, und die Gemeinde gehört nun mal dem Bürgermeister, jedenfalls in der Praxis. Wir erfahren von Norma Ibrahim, dass es den christlichen Zuwandern hier wie überall in Mindanao, deutlich besser geht als den Moslems, den ursprünglichen Bewohnern. Etwa 70% der Christen in Zamboanga gelten als Arme, bei den Moslems sind es 80 bis 90%. Die Analphabetenrate bei den erwachsenen Moslems liegt mit 45% deutlich höher als der Landesdurchschnitt von fünf bis zehn Prozent. Mittlerweile haben sich viele Dorbewohner und vor allem auch viele Kinder im Versammlungsraum eingefunden. Wie immer auf den Philippinen posieren sie begeistert für Fotos. Ein junger Mann stellt sich als Münzensammler vor. Er hätte gerne deutsche Münzen, sagt er. Wir haben natürlich keine bei uns, lassen ihm aber später durch die Präsidentin, die wir am nächsten Tag bei der Frauendemonstration in Zambo treffen, einige Münzen, die wir zufällig im Hotel hatten, überbringen.
Unsere Rückfahrt nach Zambo mit einem öffentlichen Jeepney kostet nur 18 Pesos für alle drei. Am Abend schickt uns Zeny ihren Sohn, der uns in ein Internetcafe begleitet. Wir möchten einige Emails nach Deutschland senden. Das Internetcafe ist professionell ausgestattet. Unsere Emails mit Grüßen und Anfragen gehen los. Vor allem interessiert es uns, wie es mit unserem Antrag auf öffentliche Fördermittel für unser geplantes Projekte mit MURID bestellt ist. Wir hatten in auf der Grundlage der Projektbeschreibung von MURID bereits im Februar beim Eine-Welt-Referat des Umweltministeriums MUNLV von Nordrhein-Westfalen einen Antrag gestellt.
Schon am nächsten Morgen haben wir die Antwort im Mailserver von MURID. Es sieht gut aus. Schnell besprechen wir mit Malik, dem es glücklicherweise wieder halbwegs besser geht, welche Schritte MURID als nächstes unternehmen muss, um die Projekte auch wirklich förderungswürdig zu machen. Wir legen ihm unsere Bedenken aus unseren Ortsbesichtigungen dar und machen Vorschläge zur Verbesserung. Wir verabreden, dass MURID bis Ende März einen neuen Projektvorschlag auf dieser Grundlage erstellt. Dennoch können wir ein leises Unbehagen und einige Zweifel nicht unterdrücken, denn wir vermissen doch in der Geschäftsstelle von MURID die Professionalität, die gewährleistet, dass ein umfangreiches Projekt auch betreut werden kann. Das mag daran liegen, dass Malik als Organisator durch seine schwere Krankheit praktisch ausfällt. Dazu kommt natürlich die enorme finanzielle Belastung der ganzen Familie, denn es gibt kein Krankenversicherungssystem, das die Krankheitskosten auch nur halbwegs abdeckt. Unser Unbehagen bestätigt sich nach unserer Ankunft zu Hause. MURID ist nicht in der Lage, die notwendigen Änderungen in ihren Projektvorschlag aufzunehmen. Daraufhin ziehen wir unseren Antrag beim MUNLV zurück.
Zum Frauentag hat das Internationale Sekretariat von amnesty international pünktlich reagiert und uns eine Aktion gegen Folter von Frauen auf den Philippinen per Email gesandt. Wir lassen die Aktion als Flugblatt drucken. Am Nachmittag verteilen wir einige hundert Exemplare auf der Demonstration zum Internationalen Frauentag. Das Bewusstsein für ihre Rechte ist bei den philippinischen Frauen sehr ausgeprägt. Mindestens 50 verschiedene Organisationen, christliche und muslimische, mit mehreren tausend Frauen marschieren in farbenprächtigen Gewändern und mit hunderten von Spruchbändern für Frauenrechte auf der Plaza auf. Wir sind weit und breit die einzigen Europäerinnen. Freudig umarmt werden wir von den Frauen aus Manicahan und Arena Blanco aus der MURID Gruppe, denen wir mit der Spende von Aktion Wasserbüffel die Teilnahme erst ermöglicht hatten. Als Rednerin auf dem Podium erscheint auch Claire Lobregat, die Bürgermeisterin von Zamboanga City. Die Familie Lobregat ist eine von den hundert Familien, denen die Philippinen gehören. Die Bürgermeisterin ist mit Sicherheit keine Verfechterin von Frauen- und Menschenrechten, insbesondere nicht der Rechte der überwiegend Armen in der Versammlung, sie kann sich aber an diesem Tag nicht der Verpflichtung zur Teilnahme entziehen.
Auf dem Rückweg zu unserem Hotel müssen wir im Büro der Fluggesellschaft Cebu Pacific eine Frage für unseren Flug nach Bacolod am nächsten Morgen klären. Wir müssen leider über Manila fliegen, was ein gewaltiger Umweg ist. Aber auf den Philippinen ist Manila die Drehscheibe für fast alle Flüge, es gibt kaum Direktflüge. Wir möchten, dass unser Gepäck bis Bacolod durchgeleitet wird, da wir in Manila sieben Stunden Aufenthalt haben. Da der innerphilippinische Flughafen von Manila entsetzlich öde ist, möchten wir ohne Gepäck mit einem Taxi an die Manila Bay fahren können. Das Büro der Cebu Pacific bietet einen in den Philippinen nicht seltenen Eindruck. Vier weibliche Angestellte sitzen herum, kämmen sich und lackieren sich die Nägel. Mein Wunsch beeindruckt sie nicht. Durchchecken des Gepäcks ist nur vorgesehen, wenn der Verbindungsflug innerhalb einer Stunde startet. Für Sonderregelungen fehlt ihnen die Kompetenz. Immerhin stellen sie uns eine telefonische Verbindung zum lokalen Manager der Fluggesellschaft am Flughafen durch. Wir können uns verständlich machen und er macht uns Hoffnung. Wir sollen einfach am nächsten Morgen vor dem Einchecken nach Rico fragen.
Am nächsten Morgen um fünf Uhr am Flughafen zeigt sich auch wieder etwas Typisches für die Philippinen. Vorschrift hin, Vorschrift her! Rico fließt vor Hilfsbereitschaft über. Unser Gepäck bekommt außer der Reihe und obwohl das gar nicht vorgesehen ist einen Anhänger nach Bacolod. Der verantwortliche Manager von Cebu Pacific in Manila wird davon verständigt. Er wird dafür sorgen, dass unsere Gepäckstücke nach Bacolod weitergeleitet werden. Und – es klappt! In Bacolod können wir abends um sechs unser Gepäck wohlbehalten vom Band heben. Eine halbe Stunde später genießen wir die Ruhe unseres Zimmers im Hotel Pension Plaza. Das Kapitel Zamboanga ist abgeschlossen, das Kapitel Cara-an kann beginnen.
Bacolod, Stadt des Lächelns
So jedenfalls charakterisieren die Bacolenos ihre Stadt selbst und es trifft auch weitgehend zu. Zunächst aber ist uns gar nicht zum Lächeln, denn unsere Ruhepause wird nach wenigen Minuten durch einen Telefonanruf unterbrochen. Carlos Allones wartet an der Rezeption auf uns. Wir kennen Carlos seit 1992. Er war ein führender Gewerkschafter der linken Zuckerarbeitergewerkschaft und ein unermüdlicher Kämpfer für die Rechte der armen Landarbeiter. Er hat 1992 unsere Reise nach Negros, die uns schließlich zu Bischof Fortich und dann ins Flüchtlingsdorf Cara-an führte, organisiert. Wir haben uns mit Carlos und seiner Familie angefreundet, haben ihn aber dann seit einigen Jahren aus den Augen verloren. Er hatte nach einem Schlaganfall alle Kontakte nach außen abgebrochen. Natürlich freuen wir uns sehr, ihn wieder zu sehen, hätten das Wiedersehen aber gerne eine Stunde später gefeiert.
Carlos hat sich äußerlich gut von seinem schweren Schlaganfall erholt. Eine leichte Sprachstörung ist übrig geblieben. Sein linkes Bein zieht er etwas nach. Nachdem wir unsere letzten Jahre im Gespräch aufgefrischt haben, schlägt Carlos vor, zu Father Gordoncillo zu fahren. Wir hatten ihm erzählt, dass wir leider bei unserem letzten Aufenthalt in Bacolod diesen für Menschenrechte engagierten Priester verfehlt hatten. Carlos, der selbst ein ehemaliger Priester ist, kennt alle wichtigen Leute aus Kirche, Gewerkschaft und Menschenrechtsbewegung von Negros per Du. Inzwischen ist es dunkel und wir fahren mit einem Taxi durch eine unübersichtliche Vorstadtsiedlung zu Father Gordoncillos Haus. Nach langen Irrwegen finden wir unser Ziel, aber zu unserer Enttäuschung ist Father Gordoncillo nicht da. Carlos schlägt vor, zu Bischof Fortich zu fahren, um ihn dort zu suchen. Bei Bischof Fortich erhalten wir sofort Zutritt. Er ist jetzt 85 Jahre alt, aber wach und kämpferisch für die Gerechtigkeit und für die Armen wie bei unserem Besuch vor zehn Jahren. Sofort bietet er uns unkonventionell und gastfreundlich Schokoladenkuchen und Bier an, das hat er gerade im Haus. Er freut sich, uns nach so langer Zeit wiederzusehen. Vor allem aber freut er sich zu hören, dass aus seiner damaligen Anregung, das Flüchtlingsdorf Cara-an zu besuchen, die Aktion Wasserbüffel und das Dorfentwicklungsprojekt von Cara-an geworden ist. Bischof Fortich hat sein Bischofsamt niedergelegt, ist aber trotz seines hohen Alters noch voller Feuer. Im Vorraum seines schlichten Hauses "Domus Dei" hängt sein Motto: "I am retired now – but I am not tired fighting for justice and peace" – (Ich habe mich zur Ruhe gesetzt, aber ich ruhe nicht beim Kampf für Gerechtigkeit und Frieden). Bischof Fortich gibt Kraft für die weitere Projektarbeit. Bedauerlicherweise haben wir in der Eile im Hotel unsere Kamera vergessen, leider finden wir auch später keine Zeit, die Fotos mit ihm nachzuholen, so nehmen wir es uns fürs nächste Jahr vor.
Unser Projektdorf Cara-an
Am nächsten Morgen brechen wir wieder um fünf Uhr in Richtung Cara-an auf. Carlos begleitet uns. Wir hatten Carlos in unser Hotel eingeladen, da er seinen Freund, bei dem er übernachten wollte, nicht erreichte. Er sah nicht ein, warum er nicht in unserem Hotelzimmer mit übernachten sollte, um Geld zu sparen. Wir hatten etwas Mühe, ihm zu erklären, dass viele Europäer im Gegensatz zu Filipinos gerne etwas weniger Tuchfühlung haben. Der Bus nach Kabankalan City, 100 Kilometer südlich von Bacolod, startet gegen halb sechs, falls er dann voll ist. Er ist mehr als voll nach unseren Maßstäben, jeder Sitzplatz ist doppelt besetzt. Nach etwa 90 Minuten Fahrt kracht es fürchterlich, Rauchwolken steigen rund um den Bus auf. Es riecht brenzlich nach verbranntem Öl. Mit einem Ruck hält der Bus und alle verlassen ihn. Nach einer Begutachtung des Schadens stellt der Fahrer einen unreparierbaren Getriebeschaden fest und empfiehlt uns, eine andere Transportmöglichkeit für die letzten 30 Kilometer zu suchen. Und auch das ist philippinisch, in kürzester Zeit halten Jeepneys, die uns einladen, obwohl sie voll besetzt sind. Auf den Philippinen ist ein Jeepney nie so voll, als dass nicht noch Leute reinpassen. Bezahlen müssen wir nicht, wir hätten ja schon den Bus bezahlt.
Am Orteingang von Kabankalan hält der Jeepney, nachdem Carlos das Haltesignal durch Klopfen ans Dach gegeben hatte. Wir steigen aus, und draußen steht Father Contreras und begrüßt uns herzlich. Father Contreras ist unser Projektpartner für Cara-an und der für Cara-an zuständige Pfarrer. So lösen sich alle scheinbaren Probleme in Wohlgefallen auf. Noch gestern waren wir unruhig gewesen und wussten nicht, ob Father Contreras unsere Briefe und Emails überhaupt bekommen hatte, mit denen wir unseren Projektbesuch angekündigt hatte. Wir hatten nämlich keine Antwort bekommen. Jetzt ist doch alles für den Besuch vorbereitet. Der Bürgermeister von Kabankalan hat einen Geländewagen zur Fahrt in die Berge zur Verfügung gestellt. Porferio Maglasang, der Präsident der Eltervereinigung von Cara-an, ist da, um uns abzuholen. Ein Mitglied von Carlos‘ Menschenrechtsorganisation HUMANS, der auch in Cara-an wohnt und Organisator der Dorfentwicklung ist, begleitet uns ebenfalls. Father Contreras hat auch für eine Dolmetscherin für uns gesorgt, Lira, die als Lehrerin in einem anderen Dorf arbeitet, aber möglicherweise später nach Cara-an gehen soll. Außerdem ist Teresita dabei, die als Pfarramtssekretärin arbeitet und die Projektgelder verwaltet. Sie ist mittlerweile auch – wir nehmen an, auf Betreiben von Father Contreras, der überall seine Finger drin hat - gewählte Ratsherrin der Gemeinde Camansi, zu der auch Cara-an gehört. Father Contreras kann leider nicht mit nach Cara-an kommen, er muss dringend zur Beerdigung eines Neffen außerhalb von Kabankalan. Wir sollen ihn aber später im Pfarramt der Zentralkathedrale von Kabankalan, St. Xavier Francis, treffen.
Der Weg nach Cara-an ist viel besser als vor drei Jahren. Er ist ganz offensichtlich verbreitert und geglättet worden. So kann unser Wagen fast mühelos die steilen Steigungen und Abfahrten bewältigen. Nach einer halben Stunde Fahrt gibt es eine Zwangspause. In etwa 200 Meter Entfernung schiebt eine Planierraupe Berge von Steinen und Erde vor sich her und an die Wegränder. Offensichtlich war der Weg noch nicht fertig gewesen. Aber jetzt wird notdürftig unsere Durchfahrt ermöglicht. Der letzte steile Aufstieg nach Cara-an aber muss - wie immer - zu Fuß bewältigt werden. Oben steht das Empfangskomitee, bekannte Gesichter, aber spürbar besser gekleidet als früher. Sogar ein privater Fotoapparat blitzt uns entgegen. Ein Spruchband heißt uns willkommen: Welcome, friends from Task Force Carabao – Willkommen, Freunde von Aktion Wasserbüffel. Die Entwicklung von Cara-an hat Spuren auch im persönlichen Wohlstand der Bewohner hinterlassen. Das Dorf selbst liegt fast im Grünen. Die angepflanzten Bäume und Büsche sind gewachsen und spenden Schatten. Das neue, größere Schulgebäude, das im letzten Jahr mit finanzieller Unterstützung durch Aktion Wasserbüffel gebaut worden ist, trägt ein Schild: "Willkommen, Besucher aus Deutschland". Innen ist ein Empfangsbuffet aufgebaut.
Ruth Pojas, die neue Lehrerin, begrüßt uns herzlich. Sie hat vor einem Jahr die Stelle von Flor Benitez eingenommen. Sie lädt uns ein, in ihrem Haus zu übernachten und den Schulabschluss mit zu feiern. Bei dieser Feier, dem "recognition day", werden die jeweils besten Schüler in den verschiedenen Fächern ausgezeichnet. Die ältesten erhalten bei entsprechenden Leistungen ihre Zulassung zur nächsten Schulstufe der staatlichen Elementarschule, der "primary school". Dieses System der öffentlichen Auszeichnungen ist vom US-amerikanischen Schulsystem geprägt, das den Philippinen in den 50 Jahren amerikanischer Kolonialzeit übergestülpt wurde. Zum Glück stellt es sich heraus, dass dieses starre Belohnungssystem durch die philippinische Spontaneität und Herzlichkeit durchbrochen wird. Die Kinder haben offensichtlich Freude daran. Jedes Kind, das eine Auszeichnung erhält, muss auch eine öffentliche Vorführung machen, ein Gedicht aufsagen, ein Lied singen oder einen Tanz vorführen. Das geschieht mit viel Begeisterung und zwanglos. Natürlich ist es für die Kinder etwas Besonderes, dass in diesem Jahr Helga als Präsidentin der Aktion Wasserbüffel die Preise und Medaillen überreicht. Leider spricht Ruth nur wenige Worte Englisch. So kommt Lira, unsere Dolmetscherin zum Zuge. Zumindest das, was wir sagen, übersetzt sie offenbar mit viel Humor. Unsere Begrüßungsansprache für Kinder und Eltern dauert in der Übersetzung viel länger, wird durch eindrucksvolle Gesten unterstrichen und löst häufig fröhliches Lachen aus. Dabei hatten wir gar nicht das Gefühl, etwas so Lustiges gesagt zu haben. Wir hatten ihnen von den Bemühungen der vielen kleinen Spender in Deutschland berichtet und insbesondere von den Schülern der Realschule in Jülich, die für Spenden viele Kilometer gewandert waren, um den Kindern von Cara-an den Schulbesuch zu ermöglichen. Auch der Brief der Kinder aus dem Kindergarten im Schwarzwald, die für die Kinder in Cara-an gesammelt haben, hat einen ungeahnten humoristischen Erfolg. Dann ergreift Porferio, der Präsident der Eltern, das Wort und bedankt sich ganz herzlich bei allen Spendern, vor allem aber bei den deutschen Kindern von Schule und Kindergarten. Nach dem offiziellen Teil wenden wir uns dann den kulinarischen Genüssen zu, verschiedenen Hähnchen- oder Hühnchengerichten, Bohnen, Süßkartoffeln, verschiedenen Blattgemüse und Süßspeisen aus Reis. Zwischendurch ist es Zeit, die Bastelarbeiten und Bilder zu bewundern, die Ruth mit den Kindern gemeinsam geschaffen hat. Wir sind beeindruckt. An der Wand im Hintergrund hängt das große bemalte Leinentuch, ein Geschenk einer Schulklasse aus Inden, die es gemeinsam mit dem Jülicher Maler Rudolf Vaasen für die Kinder in Cara-an gestaltet hatten.
Natürlich möchten wir den neuen Brunnen sehen, nachdem der frühere versiegt ist. Er liegt etwa 200 Meter vom Dorf entfernt in einer Senke. Voller Stolz führen die Dorfbewohner die neue Pumpe vor, die reichlich Wasser fördert. Der Brunnen liegt an der Grenze zweier Gemeinden, Barangay Camansi und Barangay Tampalon. In der Tat ist die Zuordnung von Cara-an zu Camansi umstritten. Etwa die Hälfte der Einwohner wünscht, dass Cara-an der Gemeinde Tampalon zugeschlagen wird. Das sind vor allem die Neubürger von Cara-an, die zum Teil aus den angrenzenden Gemeinden kommen, nachdem ein Drittel der früheren Flüchtlinge in ihr ursprüngliches Heimatdorf zurückgezogen sind. Dabei hatte sie Father Contreras auch mit Mitteln des Projektes tatkräftig unterstützt. Sie haben zum Beispiel ihren Anteil an Carabaos, die von der Aktion Wasserbüffel stammen, mitgenommen. Die Gemeinden selbst sind auch an der Eingliederung von Cara-an interessiert, nachdem Cara-an durch die Schule und durch das gesamte Projekt der Aktion Wasserbüffel eine so positive Entwicklung genommen hat.
Mittlerweile besuchen 59 Kinder auch aus den umliegenden Dörfern die Kindergartenschule. So sehr uns das freut, dass die Schule so wichtig für die Region geworden ist, so sehr betonen wir aber im anschließenden Gespräch mit dem Elternrat und später auch mit Father Contreras, dass es nun an der Zeit ist, dass die Gemeinden auch beginnen, die finanzielle Verpflichtung für die Schule zu übernehmen. Nachdem wir jetzt seit sieben Jahren die Schulentwicklung begleitet haben und die Kosten übernommen haben, ist es an der Zeit, dass entsprechend unserem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe" die Verantwortung ganz in philippinische Hände kommt. Um Father Contreras und dem Elternrat eine klare Richtlinie für ihre Gespräche mit dem Schulministerium und mit den Gemeinden zu geben, kündigen wir an, dass wir unsere Förderung in spätestens zwei Jahren einstellen. Bis dahin werden wir das Gehalt der Lehrerin, die Schulspeisung und die Schul-T-Shirts finanzieren. Unsere Ankündigung wird mit Verständnis aufgenommen und sogar als hilfreich angesehen.
Bevor wir aufbrechen, haben wir Gelegenheit, die stattliche Carabaoherde zu sehen, die sich mittlerweile aus den Anfängen 1994 entwickelt hat. Sie kommen nach und nach von der Feldarbeit zurück. Einige Carabaos heißen, wie die Dorfbewohner sagen, Helga, Jochen, Günter, Ursula, Sol und Blackie, also Namen von allen, die für Aktion Wasserbüffel Cara-an besucht haben, der Name Blackie wurde sogar von Kindern in Wittenschwand im Schwarzwald vorgeschlagen Aber wer weiß, ob zum Beispiel die Carabao-Kuh Helga, die übrigens schon zweimal gekalbt hat, nicht Gloria genannt wird, sollte die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo jemals auf die Idee kommen, Cara-an zu besuchen.
Bei aller Harmonie, die sich auch bei den abschließenden Gesprächen einstellt, ist aber doch unterschwellig spürbar, dass es auch Konflikte gibt. Die Lehrerin erhofft von uns, dass wir uns bei Pfarrer Contreras stark machen für eine bessere Bezahlung. Obwohl uns ihre Argumente, die sie vorbringt, auch einleuchten, wollen wir uns nicht direkt in den Ablauf des Projektes einmischen. Father Contreras kann mit Sicherheit die örtlichen Verhältnisse besser einschätzen als wir. Das Einzige, was wir versprechen, ist, dass wir Father Contreras daraufhin ansprechen, ihr Anliegen anzuhören. Sie ist etwas enttäuscht. Andererseits ist spürbar, dass einflussreiche Mitglieder des Elternrats ihre Bezahlung für mehr als ausreichend halten und sogar der Meinung sind, bei Festen wie z.B. zu Weihnachten sollte Ruth einen Teil der Kosten tragen. Sie hätte es auch für den heutigen Tag tun sollen, wenn wir es nicht direkt für Aktion Wasserbüffel übernommen hätten.
Es ist unverkennbar, dass sich einige Dorfbewohner einen relativen Reichtum erarbeitet oder beschafft haben. Es gibt im Dorf jetzt arm und reich, nachdem alle vor etwa 10 Jahren in der gleichen Ausgangsposition waren, nämlich als Flüchtlinge. Wir erfahren auch, dass es im Dorf Fraktionen gibt, die äußeren Organisationen Einfluss verschaffen möchten. Das geht hin bis zur Mitgliedschaft bei den aufständischen kommunistisch orientierten Gruppierungen NPA und RPA, die zum Teil versuchen, von den Einwohnern eine Art Steuern zu erheben. Das gilt im übrigen nicht nur für Cara-an, sondern für die gesamte Region und – mit Abstrichen – für die gesamten Philippinen. Mit einem Wort, Cara-an entwickelt sich zu einem ganz normalen Dorf, mit allen Stärken und Schwächen einer Dorgemeinschaft, mit Nachbarschaftshilfe und Gemeinsinn wie mit Intrigen und Parteien.
Während wir in Cara-an sind, hat es etwa 20 Kilometer entfernt in Candoni ein Feuergefecht zwischen den beiden Aufstandsorganisationen NPA (New Peoples Army) und RPA (
Revolutionary Proletarian Army) gegeben, bei dem drei Männer getötet werden. Wir lesen das am nächsten Tag in der Zeitung. In der gesamten Gegend brodelt es nach wie vor, sie ist ja auch eine der Keimzellen des kommunistisch geführten Armutsaufstandes in den siebziger, achtziger und Anfang der neunziger Jahre. Bei Militäraktionen im Rahmen dieses Bürgerkrieges wurden auch die jetzigen Einwohner von Cara-an 1990 als Flüchtlinge aus ihren Dörfern vertrieben und mit Hilfe von Kirche und Zuckerarbeitergewerkschaft in Cara-an angesiedelt.Im Dunkeln kommen wir nach Kabankalan zurück. Wenn die Sonne untergegangen ist, fällt ja in den Tropen die Nacht wie eine schwarze Wand herunter. Father Contreras ist noch nicht wieder da. Er hat niemandem Instruktionen gegeben, was er weiter geplant hat. Der Fahrer des Bürgermeisters bringt uns zur Pfarre in Sonedco, dann zur Kathedrale. Auch Carlos, den wir jetzt wieder treffen, weiß nicht, was jetzt geplant ist. Wir müssen Father Contreras natürlich dringend sprechen, denn wir müssen den Fortgang des Projektes erörtern und auch das Geld für das nächste Jahr übergeben. Außerdem wissen wir nicht, ob Father Contreras weitere Gespräche für uns vorbereitet hat, denn wir hatten den Wunsch geäußert, mit führenden Politikern von Kabankalan City zu sprechen, um den Fortbestand der Schule zu sichern. Später erfahren wir, dass es zur Zeit keinen Sinn macht, mit Politikern zu sprechen, da die Wahlen vor der Tür stehen. Da auch niemand informiert ist, ob und wo eine Übernachtung für uns in Kabankalan geplant ist, beschließen wir, nach Bacolod zurück zu fahren. Carlos hat Bedenken. Ein Bus fährt jetzt nicht mehr und er ist um unsere Sicherheit besorgt. Immerhin, er ist ein einflussreicher Mann und kennt alle Leute, auch die, die uns möglicherweise gefährlich werden könnten, und vor allem auch alle Revolutionäre. Wir schlagen vor, ein Taxi zu nehmen. Schließlich gelingt es Carlos, ein Taxi zu erwischen, das bereit ist, uns zu einem vernünftigen Preis – für unsere Verhältnisse sogar Spottpreis von 300 Pesos – nach Bacolod zu fahren. Wir sind froh, denn wir sind völlig erschöpft und todmüde. Der Fahrer nutzt unsere Notlage nicht aus. Er fährt uns zuverlässig und ohne mehr Geld von uns zu erpressen, die 100 Kilometer nach Bacolod. Vor unserem Hotel geben wir ihm dann erleichtert ein Trinkgeld von 200 Pesos. Die ganze Fahrt hat uns also nicht mehr als 25 Mark gekostet.
Wir hatten Carlos, der in Kabankalan bzw. im benachbarten Cauayan bei seiner Familie geblieben ist, gebeten, Father Contreras zu bestellen, dass wir ihn morgen in unserem Hotel in Bacolod erwarten. Falls das nicht geht, bitten wir um Anruf im Hotel. In diesem Fall müssen wir in den sauren Apfel beißen und noch einmal die Fahrt nach Kabankalan auf uns nehmen. Aber es ist kein Problem. Am nächsten Tag kommt Father Contreras, der sowieso in Bacolod zu tun hatte, in unser Hotel, als ob nichts gewesen wäre. Wir klären alle offenen Fragen zufriedenstellend.
Bacolod von innen
Den Rest des Tages haben wir Zeit zur Erkundung von Bacolod. Wir schlendern durch den riesigen Markt, der zum Teil im Freien liegt und zum Teil überdacht ist. Es gibt hier alles zu kaufen, vor allem aber frische Früchte und Gemüse. Wir halten Ausschau nach Batangas-Kaffee, den wir morgens in unserer kleinen Bodum-Kanne mit einem Tauchsieder zubereiten. Obwohl auf den Philippinen hervorragender Kaffee wächst, trinken die Filipinos leider überwiegend Nescafe. Das ist, wie auch Coke, Big Mac und Pizza Hut, amerikanisches Kolonialerbe. Auf dem Markt finden wir wieder die Freundlichkeit und die entspannte Atmosphäre, die wir an anderen Orten der Philippinen im Vergleich zu unserer letzten Reise etwas vermissen und die einer Hektik - ähnlich wie bei uns - gewichen ist. Die Globalisierung macht auch vor den Philippinen nicht halt. Im Gewirr der Marktstände ist unser Erinnerungsvermögen nicht ausreichend, um den Kaffeestand da wieder zu finden, wo wir ihn vor drei Jahren ausfindig gemacht hatten. Aber wir fragen einfach an einem Obststand. Die freundliche Verkäuferin erklärt uns nicht etwa mit ein paar vagen Handbewegungen, wie wir dorthin kommen, sondern sie begleitet uns 100 Meter um zig Ecken und zeigt uns dann lächelnd und stolz den Stand. Bevor wir ins Hotel zurückgehen, kaufen wir frische gelbe aromatische Mangos für 50 Pesos pro Kilo und einen Beutel Kalamansi, das sind kleine grüne Limonen, die gemischt mit dem philippinischen Tanduay-Rum ein köstliches Mixgetränk ergeben. An den Mangos muss man fachmännisch nach dem Aroma schnuppern, bevor man sie kauft, sonst glauben die Markthändler nicht, dass man etwas davon versteht. Dann zahlt man den doppelten Preis. Auf dem Heimweg wird die Straße durch eine Menschenmenge versperrt. Sie sehen einem Zauberer und Schlangenbeschwörer zu, der auf der Straße seine Künste zum Besten gibt. Sein Vortrag scheint mit viel Humor gewürzt zu sein, denn alle sind entspannt und lachen. Straßentheater auf den Philippinen. Neben unserem Hotel ist einer der vielen Läden, in denen es abgefülltes Quellwasser zu kaufen gibt. Wir kaufen jeden Tag mehrere Flaschen. Für philippinische Verhältnisse ist es mit 15 Pesos pro Liter ein Luxus, teurer etwa als Rum. Aber das Trinkwasser ist so stark gechlort, dass wir sogar unseren Kaffee mit Quellwasser kochen.
Am Abend überqueren wir die Plaza vor der Kathedrale, um in der "chicken area" essen zu gehen. Hier gibt es unzählige kleine Straßenrestaurants, in denen man ausschließlich Hühnchen am Spieß und Reis bestellen kann. Man isst ausschließlich mit den Händen, auch den Reis. Dafür gibt es in jedem Restaurant Wasserhähne und Becken direkt neben den Tischen. Wer sich auf den Philippinen vor dem Essen nicht die Hände wäscht, gilt als Barbar. Die Hühnchenteile sind hervorragend gewürzt und gegrillt. Wir hatte das kleine Straßenrestaurant, in das wir jetzt wieder einkehren, an unserem ersten Abend in Bacolod mit Carlos und seinem holländischen Freund Auke kennengelernt. Auke lebt seit 20 Jahren auf den Philippinen. Er hat ein kleine Nichtregierungsorganisation gegründet, die gleichzeitig eine Firma ist. Er ist Ingenieur und hat sich darauf spezialisiert, angepasste Technik zu entwickeln, die auch von den einfachen Farmern verwendet werden kann. Die meisten seiner Entwicklungen beruhen auf der Nutzung von Sonnenenergie. Auke hat mit Carlos gemeinsam ein Bewässerungsprojekt in der Nähe von Cauayan begonnen.
Diesen letzten Abend in Bacolod verbringen wir alleine. Normalerweise gehen wir hier zum Abschied immer auf den Fischmarkt Pala-Pala. Dort sucht man sich aus der großen Auswahl frischen Fisches etwas aus und lässt es dann gegenüber in den kleinen Restaurants zubereiten. Wenn man mit einer Gruppe von mehreren Personen dort isst, hat man eine Vielfalt köstlichster Fischgerichte in einer brodelnden exotischen Atmosphäre, denn niemand behält sein Gericht für sich, alles steht in der Tischmitte. In diesem Jahr sind wir nicht in der Stimmung für den Fischmarkt. Zu frisch ist unsere Erinnerung an die letzten Male, als wir diese Atmosphäre gemeinsam mit unseren Freunden Ursula und Günter Freudenberg erlebt hatten. Günter ist im vergangenen Jahr überraschend gestorben, nachdem er noch im Frühjahr 2000 für die Aktion Wasserbüffel kreuz und quer durch die Philippinen gereist war.
Am nächsten Morgen geht es wieder um fünf Uhr los zum Flughafen. Es geht Richtung Cebu City. Ein kleines Hindernis zum Abschied: Unser Taxi bringt uns zum falschen Terminal. Dort sind wir früher immer mit der Fluggesellschaft Philippine Airlines abgeflogen. Dieses Mal fliegen wir aber mit der preiswerteren Cebu Pacific. Der weitere Vorteil von Cebu Pacific für uns: Die DC 9, die ausschließlich von Cebu Pacific geflogen wird, braucht eine kürzere Startbahn. In Bacolod ist auf der kurzen Startbahn, die ins Meer hinausragt, schon einmal eine Boeing der Philippine Airlines beim Landen ins Meer gefallen. Zum Glück ist das sehr flach dort. Die beiden Fluggesellschaften konnten sich nicht über die gemeinsame Nutzung des Terminalgebäudes einigen. Cebu Pacific musste also in einigen hundert Metern Entfernung ein weiteres bauen und eine kleine Rollbahn dorthin einrichten. Wir nehmen ein weiteres Taxi für 300 Meter. Unser Flieger rollt dann auf der provisorischen Rollbahn den Weg bis zur eigentlichen Startbahn zurück. Mit uns fliegen unzählige Pappkartons mit Kampfhähnen. Aus den Löchern in den Pappkartons ragen die Schwanzfedern. Hahnenkämpfe mit Wetten, das ist die liebste Beschäftigung der philippinischen Macho-Männer. Eine Dreiviertelstunde später landen wir in Cebu City.
Cebu City, Metropole der Visayas
Unsere Freunde Kati und Jack Jacela wissen, dass wir gelegentlich auf unserer Projektreise Luft schöpfen müssen, also eine kurze Ruhepause brauchen. Schließlich kommen wir fast immer spät ins Bett, weil wir abends unsere Erfahrungen aufbereiten und niederschreiben. Morgens aber stehen wir meistens um vier Uhr auf, besonders an Reisetagen. So rufen sie erst am späten Vormittag in unserem Diplomat Hotel an. Trotz seine Namens ist es keineswegs für Diplomaten geeignet. Es ist ein typisch philippinisches Hotel mit aller Liebenswürdigkeit und allen Schwächen schlechter Organisation. Wir fühlen uns deshalb oder auch trotzdem dort sehr wohl und sind jetzt zum dritten Mal da, sozusagen Stammgäste. Bedauerlicherweise gibt es im Restaurant keinen frischen Mango Shake mehr, den wir so lieben. Es gibt tatsächlich Mangosaft aus der Büchse, wie schauerlich. Das kleine Cafe Adriatico gegenüber hat auch geschlossen. Wir setzen uns erst einmal in das Restaurant des Hotels Kan Iraq, das einen Kilometer entfernt ist, um unser weiteres Programm mit unseren Freunden zu besprechen.
Wir treffen gemeinsam mit Kati später am Nachmittag Violeta Jacmoc, die Präsidentin der Frauenorganisation der Städtischen Armen von Cebu City. In Cebu City leben etwa anderthalb Million Menschen, davon knapp 60% in Stadtbezirken für "Städtische Arme", ohne Infrastruktur wie Wasserversorgung, Kanalisation, Müllabfuhr. Wir haben mit Violeta gemeinsam das Wasserprojekt von Pasil durchgeführt. In Verhandlungen wurde erreicht, daß die Stadt Einspeisestellen für Trinkwasser zur Verfügung stellt. Das Verlegen der Wasserleitung in das Wohngebiet war Sache der Frauenorganisation. Ebenso die Verteilung des Wassers und der Service für die zentrale Zapfstelle des Wohnbezirks. Dazu schlug die Selbsthilfeorganisation etwa 20% auf den Abgabepreis auf. So wurde Geld für weitere Wasserprojekte angesammelt. Später haben wir dann Wasserprojekte unterstützt, die im wesentlichen mit den Erlösen aus dem ersten finanziert wurden. Inzwischen gibt es sieben Stadtteile, die von den Städtischen Armen bewohnt werden, die eine eigene Wasserversorgung haben. Am übernächsten Morgen gehen wir gemeinsam nach Pasil, der von Aktion Wasserbüffel finanzierten Keimzelle der Wasserprojekte. Violeta wird dort mit großer Zuneigung begrüßt. Man merkt, dass sie respektiert ist und dass sie dazu gehört. Jeder im Stadtteil von 26000 Menschen scheint sie zu kennen. Als Violeta uns vorstellt, werden wir auch begeistert empfangen, die Menschen wissen, was das Wasser für sie bedeutet. An der Wasserzapfstelle sitzen Frauen mit Bottichen und waschen die Wäsche ihrer Familien mit der Hand. Kinder kommen mit Eimern, um Trinkwasser zu holen. Ein kleiner Junge genießt es, eimerweise Wasser über sich zu gießen. Alle stellen sich fröhlich in Pose, wenn wir unsere Kamera zücken.
Wir können es trotz der Freundlichkeit und der Begeisterung nicht lange in den engen Gassen zwischen den Hütten aus Wellblech, Holzbrettern, Pappe und Müll aushalten. Es liegt ein unerträglicher Gestank über allem. Es gibt keine Kanalisation und die Abwässer fließen offen in Rinnsalen ungeklärt ins Meer. Auf der etwas breiteren Zufahrtstraße, die zum Meer führt, fährt ein kleiner LKW, der offenbar Müllsäcke einsammelt, mit der Aufschrift: Green Project. Vor kurzem hat die Stadt einen ersten Versuch zu einer Müllentsorgung gestartet. Die Abfuhr erfolgt aber bisher nur gelegentlich.
Violeta und ihre Begleiterinnen erzählen uns von dem größten Problem, das sie zur Zeit haben. Durch ein neues großes Stadtentwicklungsprojekt, das sogenannte South Reclamation Project, das einen Straßenausbau entlang der 20 km langen Küstenstrecke vorsieht, sollen zehntausende "Städtische Arme" vertrieben werden. Pasil ist noch nicht unmittelbar betroffen, wohl aber in den späteren Planungen. Zugewiesene Umsiedlungsgebiete liegen häufig weit entfernt von den Arbeitsplätzen der Bewohner auf den Märkten und am Hafen. Das Problem wird dadurch vergrößert, dass durch die Landkonversion in den ländlichen Gebieten, also die Umwandlung von bäuerlichem Land in Industrie-, Siedlungs- und Tourismusgebiet, immer mehr landlose Bauern in die Stadt strömen und die Zahl der Städtischen Armen erhöhen. Ein weiteres großes Problem für viele Städtische Arme ist die drastische Zunahme der Kontraktarbeit. Kontraktarbeiter sind praktisch jederzeit kündbar und dürfen sich nicht gewerkschaftlich organisieren. Damit sind sie so gut wie rechtlos.
In der kritischen Opposition wird das als Folge der rücksichtslosen Deregulierung und Globalisierung auf den Philippinen angesehen. Viele Nichtregierungsorganisationen haben sich zu einer Antiglobalisierungskoalition zusammengeschlossen. Dazu gehören auch die Städtischen Armen, die Menschenrechtsorganisation Karapatan, für die Kati arbeitet und die basischristliche Entwicklungsorganisation von Jack. Das Thema ist auf den Philippinen jetzt besonders aktuell, denn die neue Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo gilt als kompromisslose Verfechterin eines weitgehenden Wirtschaftsliberalismus.
Wir fragen Violeta, ob Aktion Wasserbüffel bei der Einrichtung eines Kinderzentrums in Pasil helfen kann. Durch die Berufstätigkeit von Frauen und Männern, die zum Überleben notwendig ist, sind auch kleine Kinder sich selbst überlassen. Violeta findet es aber zu früh, eine solche Einrichtung zu planen, da die Zukunft von Pasil ungesichert ist. Zur Zeit macht zwar der alte Bürgermeister Garcia ziemlich große Zusagen an die Städtischen Armen. Er will ja im Mai wiedergewählt werden und muss dazu auch die Stimmen der 60% Armen bekommen. Aber was nach der Wahl ist, weiß keiner. Kati und Violeta sehen einen grundsätzlichen Bedarf an Kindergartenschulen in den Umsiedlungsgebieten der Städtischen Armen, die vertrieben werden. Wenn wir in einigen Tagen wieder nach Cebu kommen, wollen sie uns das Ergebnis ihrer Überprüfung mitteilen.
Den zweiten Tag in Cebu City nutzen wir zu einem Besuch politischer Gefangener im Stadtgefängnis. In diesem Gefängnis gibt es sechs politische Gefangene, eine davon eine Frau. Wir geben Ihnen die mitgebrachten Geschenke, frische Mangos, Zigaretten und Toilettenartikel. Die Anklagen lauten auf in einem Fall auf Mord und in anderen Fällen auf illegalen Besitz von Feuerwaffen. Die Anklagen lauten nicht mehr auf Rebellion wie früher bei angehörigen des bewaffneten Widerstandes. Es ist uns bekannt, dass die Beweise in vielen Fällen von der Polizei untergeschoben werden. In diesen speziellen Fällen können wir das nicht beurteilen. Der Gefangene, der des Mordes angeklagt ist, heißt Alison Alcantara. Er soll der Leiter einer kommunistischen Stadtguerillaeinheit, einer sogenannten Spatzeneinheit (sparrow unit), gewesen sein und als solcher verantwortlich für die Tötung eines früheren Leiters einer Vigilantentruppe. Die Vigilanten waren noch vor einigen Jahren fanatisch antikommunistische Gruppierungen, die nach Informationen von amnesty international bei ihrer Jagd nach verdeckten Kommunisten viele Menschenrechtsverletzungen, vor allem Morde, begingen. Der ermordete Rainero Cabayan soll dabei verantwortlich für den Tod des Bruders von Alison Alcantara gewesen sein. Alison bekommt gerade Besuch von seiner Frau. Sie begrüßen sich durch das Gefängnisgitter. Ob Alison für den Mord an Rainero verantwortlich war, können wir nicht beurteilen, er beteuert seine Unschuld. Tatsache aber ist, dass die vorgelegten Beweise für seine Schuld, vor allem die wackligen Zeugenaussagen, mehr als mager sind. Soviel lässt sich aus der Verteidigungsschrift ersehen, die wir später bei der Organisation Karapatan einsehen.
Kati hat sich den Rest des Tages frei genommen, um uns in Cebu zu begleiten. Alle Filipinas und Filipinos sind doch immer wieder besorgt und lassen uns nicht gerne alleine durch die Städte laufen. Wir akzeptieren diesen Schutz, den uns die Begleitung einheimischer Freunde bietet. Gerade in Cebu haben Gewaltverbrechen wie Straßenraub, aber auch Mord, in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Jeden Tag lesen wir über einige spektakuläre Fälle von Straßenraub in der lokalen Zeitung.
Wir wollen Dollars in Pesos tauschen und eine Fahrkarte für die Hovercraft Fähre nach Bohol kaufen. Die preiswerteste Methode, auf den Philippinen zu reisen, ist die mit einem Bündel Pesos. Mit Kreditkarte kann man zwar häufig bezahlen, oft aber kostet das erhebliche Gebühren. Mit Dollars kann man zwar bezahlen, aber der Umtauschkurs ist dann nicht gerade ermutigend. Eine Bankfiliale einer international tätigen philippinischen Bank erklärt uns, sie tausche keine Devisen. Unsere Rezeption im Hotel will uns einen Dollarkurs von 44 geben, d.h. 44 Pesos für einen Dollar. Der amtliche Kurs steht heute auf 48,5. Nein danke, sagen wir und begeben uns mit Kati zu einer privaten Wechselstube, deren Besitzerin sie kennt. Wir erhalten 4870 Pesos für 100 Dollars, also über dem amtlichen Kurs, der allerdings drei Tage später über 49 liegt. Also: Reisen auf den Philippinen ist ein Rechenexempel und eine Spekulation, und vor allem muss man Leute kennen.
Als wir aus der Wechselstube kommen, werden wir gleich wieder angebettelt. Auf der Brücke über die Straße zum Einkaufszentrum, wo wir die Reservierung für die Bohol Schnellfähre Supercat machen wollen, steht eine zerlumpte Frau und sendet ihre Kinder strategisch in Richtung von Europäern aus, die vielleicht durch einen treuherzigen Blick, der nach Hunger aussieht, zu erweichen sind. Wahrscheinlich haben die Kinder sogar Hunger, trotzdem löst Mildherzigkeit die Probleme der verarmten Schichten nicht. Seit unserer letzten Reise hat die Zahl der Straßenbettler deutlich zugenommen. Wir begegnen ihnen auf Schritt und Tritt.
Das Fährenbillet ist preiswerter, als wir ausgerechnet hatten. Die aufmerksame Angestellte am Schalter hatte die Altersangabe auf dem Vertrag gesehen und ohne weitere Frage eines der Billets als Seniorenbillet ausgestellt.
Am nächsten Morgen holen Kati und Jack uns um halb sieben vom Hotel ab. Punkt acht Uhr legt das Luftkissenboot Richtung Tagbilaran auf Bohol ab. Wir hatten auf Bohol zwei Tage Erholung eingeplant, ohne Gespräche und ohne Besichtigungen. Kati, die ursprünglich von Bohol stammt, hatte uns durch ihre Freunde das abgelegene Dumaluan Resort direkt an der Küste der kleinen Ferieninsel Panglao vor der Hauptstadt Tagbilaran ausgesucht. Ihre Freunde aber lassen anfragen, ob die Besucher von amnesty international Interesse an einem Gespräch über Menschenrechtsprobleme auf der Insel Bohol haben. Ja, natürlich haben wir! Schon haben wir wieder Termine. Ein Arzt mit Namen Dr. Oliver Jimenez wird in Bohol Kontakt mit uns aufnehmen.
Bohol, Ferieninsel und Insel der NPA
Die Sache mit der Schnellfähre war keine so gute Idee. Wir hatten uns vorgestellt, uns durch eine Fährfahrt auf Urlaub einzustimmen und uns auf dem Oberdeck den Wind um die Nase wehen zu lassen. Aber es gibt gar kein Oberdeck auf einem Luftkissenboot, nur eine geschlossene Kabine wie in einem Flugzeug. In Tagbilaran geht der altbekannte Kampf der Taxifahrer um die Touristen los. Wir hatten uns schon schlau gemacht, dass alles unter 250 Pesos für eine Taxifahrt zum Dumaluan Resort günstig wäre. So klein ist nämlich Panglao gar nicht. Wir bieten also einem Taxifahrer an, ein Pauschale von 200 Pesos zu zahlen und schon haben wir ihn engagiert. Wir machen gleich die Rückfahrt mit ihm in drei Tagen aus.
Das Resort sieht aus wie auf Prospekten mit Südseepanorama. Palmen und kilometerlanger weißer Strand. Die Hütten sind aus einheimischen Materialien gebaut, Bambus, Banane, Kokos usw. Das zentrale Gebäude mit dem Restaurant ist zum großen Teil eine luftige offene Veranda. Der Besitzer ist Arzt, erfahren wir später. Er kandidiert bei den Wahlen im Mai als stellvertretender Bürgermeister von Tagbilaran. Das Resort, das bewußt ein Konzept eines ökologisch orientierten Tourismus verwirklichen will, wird von seiner Frau verwaltet. Kurz nach unserer Ankunft ruft Dr. Jimenez an. Er fragt, ob es uns recht ist, wenn die zwei Mitarbeiterinnen von Katis Organisation auf Bohol morgen und er übermorgen jeweils gegen Mittag kommen. Es ist uns recht.
Am nächsten Abend kommen Ira Pamat und Liza Serenio von der Bohol-Gruppe der Menschenrechtsorganisation Karapatan. Sie betreuen zur Zeit sieben politische Gefangene, davon drei Minderjährige. Sechs haben sie zur Amnestie bei der Amnestie-Kommission der Regierung vorgeschlagen. Einer der Gefangenen ist in Haft gefoltert worden, aber die Klage, die sie dagegen erhoben haben, ist aus formalen Gründen vom Gericht abgewiesen worden. Abgesehen von der Gefangenenbetreuung arbeiten sie politisch zum Problem des Bergbaus. Dreiviertel von Bohol könnte von den erteilten bzw. beantragten 91 Bergbaukonzessionen, vorwiegend für ausländische Firmen, betroffen werden. Die Auswirkungen auf Umwelt und Bewohner der Konzessionsgebiete sind noch nicht zu übersehen. Mit Sicherheit würde es Zwangsumsiedlungen geben.
Insgesamt bieten die Verhältnisse auf Bohol soviel Anlass zur Kritik, dass es nicht verwundert, dass die kommunistische Aufstandsarmee NPA hier immer wieder neuen Nährboden findet. Einige Gebiete stehen nach wie vor unter Kontrolle der NPA, die Zahl der bewaffneten Zusammenstöße mit dem Militär ist höher als in den meisten Gebieten der Philippinen.
Neben der Arbeit für Karapatan haben sich Ira und Liza um eine bäuerliche Kooperative in Trinidad auf Bohol gekümmert. Sie haben Wasserbüffel im Auftrag einer Entwicklungsorganisation vverteilt und sind dabei, eine Kindergartenschule einzurichten. Außerdem wäre es erforderlich, eine weitere Wasserbüffelverteilung vorzunehmen, damit alle Familien ihr Einkommen verbessern können. Helga hatte sofort die Idee, in diesem Jahr ihren Geburtstag im August in ein Wasserbüffelfest umzuwandeln, wobei sie sich statt Geschenke Spenden für Carabaos auf Bohol wünscht. Liza und Ira strömen über vor Energie. Bei aller politischen Arbeit und bei all ihren Problemen sind sie nicht verbissen, sondern von ansteckender Fröhlichkeit.
Liza und Ira geben uns die Adresse des Bürgermeisters von Panglao. Wir hatten ihnen erzählt, dass wir uns mit einer Beschwerde an den Bürgermeister wenden wollen. Das Ganze ergab sich aus einem Abendspaziergang am Strand. Ein Kilometer oberhalb vom Dumaluan Resort liegt der Bohol Beach Club. Als wir dort am Strand entlang gingen, kam ein bewaffneter Wachmann und hinderte uns daran. Hier sei Privatgelände und wir müssten Eintritt zahlen. Wir erklärten, dass der Strand nach dem Gesetz frei sei und dass wir nichts bezahlen. Wir wollten aber die Angelegenheit nicht auf die Spitze treiben, weil wir etwas Angst hatten. Daher gingen wir zurück.
Da das Ganze aber einen beispielhaften Charakter hat und dazu führt, dass einflussreiche Privatpersonen entgegen dem philippinischen Gesetz ganze Strandareale sperren und auch Fischern das Anlanden verwehren, wollen wir uns offiziell beim Bürgermeister beschweren. Im übrigen sind bereits in Cebu Fischer beim Anlanden auf solchen gesperrten Strandarealen von Wachen erschossen worden. Am letzten Abend machen wir die Probe und berufen uns erneut auf das Gesetz. Wir gehen einfach weiter, als der Wachmann uns anhalten will. Er ist unsicher. "Sie gehen aber nicht ins Resort hinein?" fragt er. Wir haben gewonnen. Wir gehen einige hundert Meter weiter und kehren dann um. Vom Wachmann machen wir ein Foto.
Für den dritten Tag bietet sich die Gelegenheit, um fünf Uhr früh das Auslegerboot des Dumaluan Resort mit zwei Mann Besatzung für eine Fahrt zur Insel der schwarzen Korallen, Balicasag, zu mieten. Es kostet nach kurzem Handeln für den halben Tag 1200 Pesos, also sechzig Mark. Wir wollen wegen Dr. Jimenez gegen Mittag zurück sein. Der Mietpreis ist für uns ein erschwinglicher Luxus, für Filipinos aber unbezahlbar. Normalerweise fahren sechs bis acht Personen mit.
Die Schönheit der Koralleninseln kann man nicht ungetrübt genießen. Liza und Ira hatten uns von Gefahren für die Koralleninseln erzählt. Viele sollen von der Regierung privatisiert werden. Sie werden dann möglicherweise durch einen ausufernden Tauchtourismus zerstört. Die Korallen und ihre reichhaltige Tierwelt werden auch durch die Zyanid- und Dynamitfischerei geschädigt. Diese zerstörerische Art der Fischerei ist zwar durch Gesetze verboten, viele Fischer halten sich aber angesichts der abnehmenden Erträge nicht an die Verbote und zerstören damit langfristig ihre Existenz. Wer wird aber mit Steinen auf sie werfen, wenn er weiß, dass die Lizenzen für japanische Fabrikschiffe in den philippinischen Gewässern die Küstenfischerei schwer beeinträchtigen. Wenn die Fischer ihre Familien ernähren wollen, müssen sie Raubbau betreiben.
Gefahr für die Korallen bedeutet auch die Klimaänderung und damit verbunden der Anstieg des Meeresspiegels. Korallen können nur in einer ganz bestimmten Temperaturzone und Tiefenzone im Wasser leben. Langsame Klimaänderungen über Jahrtausende können die Korallen durch Anpassung ihres Wachstums vielleicht verkraften, nicht aber kurzfristige in Jahrzehnten.
Trotz all dieser Probleme werden wir heute die als besonders schön und reichhaltig geltenden schwarzen Korallenbänke bewundern. Wir sind absolute Anfänger im Schnorcheln, aber der Kapitän unseres Bootes, sein Name ist Junior, kennt die besten Stellen, die wir ohne Tauchübungen durch die Taucherbrille von der Oberfläche her sehen können. Bereits vorher hatte sich unser Kapitän offenkundig über unsere unverhüllte Begeisterung beim Durchfahren der Delphingründe gefreut, obwohl es uns nicht gelungen war, ein brauchbares Foto von den spielenden und springenden Delphinen zu schießen. Der Kapitän spricht zwar kein Wort Englisch, aber wir verstehen uns prächtig mit Mimik und Gestik. Das Schiff liegt nach zwei Stunden Fahrt bei Balicasag vor Anker. Käpten Junior holt am Ufer einige kleine Schneckenhäuser und zwei Steine. Er rollt eine Nylonschnur von einer kleinen Rolle und befestigt einen provisorischen Haken daran Mit den Steinen zerklopft er ein Schneckenhaus und spießt den kleinen Einsiedlerkrebs auf den Haken. Diese provisorische Angel ist kaum zwei Minuten im Wasser, schon hängt ein dünner etwa zwanzig Zentimeter langer Fisch, etwa wie ein Hornhecht, daran. In kurzer Zeit fängt er zwei weitere Fische, die er ebenfalls in eine Plastikflasche mit Meerwasser gleiten lässt. Essen für die Familie. Inzwischen haben zwei Muschelverkäuferinnen unser Boot geentert. Sie kennen Junior offenbar. Sie bieten uns wunderschön gezeichnete Muscheln und Schnecken zum Verkauf an. Wir können nicht widerstehen. Aber obwohl wir handeln, sind wir überzeugt, dass wir den doppelten Preis zahlen. Dafür haben wir eine nette Unterhaltung. Beide Frauen sprechen etwas Englisch und erzählen uns von ihren Problemen und ihren Familien. Sie erzählen uns, dass Dr. Dumaluan häufig im Krankenhaus Patienten aus den armen Bevölkerungsschichten umsonst behandelt. Er ist sehr beliebt. Beide Frauen sind stark weitsichtig. Das merken wir, als wir sie bitten, die Namen der Muscheln jeweils aufzuschreiben. Helga leiht ihnen ihre Brille, sie können sich kein Brille leisten. Sie fahren mit uns zum Resort, denn wir haben kein Geld bei uns. Junior wird sie auf seiner nächsten Fahrt wieder mit nach Balicasag nehmen, wenn die Mieter des Bootes einverstanden sind, so wie wir jetzt. Natürlich lassen wir uns später vom Bürgermeister von Tagbilaran, den wir im Dumaluan Resort treffen, bestätigen, dass die Muscheln, die wir erstanden haben und auch die, die wir selbst gesammelt haben, nicht geschützt sind und ausgeführt werden dürfen.
Als wir gegen ein Uhr mittags mit schlechtem Gewissen im Resort eintreffen, ist von Dr. Jimenez keine Spur zu sehen. Er kommt mit zwei Gefährten schließlich gegen Abend. Filipinotime! Wir beschließen, uns zu Duzen. Oliver erzählt von den katastrophalen Verhältnissen im philippinischen Gesundheitswesen. Die Gesundheitsversorgung wird schlechter statt besser. Wir wissen aus eigener Erfahrung um die Probleme der Menschen, wenn sie krank werden. Kati hatte vor einigen Jahren Schilddrüsenkrebs. Sie wäre gestorben, wenn wir ihr nicht durch private Gelder die Operation ermöglicht hätten. Titing, unser geförderter Student, hatte eine schwere Furunkulose, ohne die teure Behandlung, die von Aktion Wasserbüffel übernommen wurde, sein Studium in Frage gestellt hätte. Malik von MURID aus Zamboanga konnte sich die Behandlung im Nierenzentrum und die teuren Medikamente nur mit Mitteln der deutschen Stiftung für Kinder, die mit MURID in einem Projekt auf der Insel Jolo zusammenarbeitet, leisten. Aber wie viele Filipinos haben Freunde im Ausland, die solche Behandlungen bezahlen? Gemeinsam mit seinen anwesenden Freunden arbeitet Oliver im Forum für Gesundheit und Entwicklung, CHD, das sich darum bemüht, die Krankenhausversorgung der ärmeren Hälfte der Bevölkerung zu verbessern. Er wird dabei von der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe
gefördert. Sein Partner ist Karl Schönböck, den wir von der Philippinenkonferenz her kennen. Die Welt ist klein!Am nächsten Morgen starten wir um fünf Uhr in Richtung Hafen Tagbilaran. Unsere Fähre legt um halb sieben ab. Zu unserer freudigen Überraschung erwartet uns Oliver am Hafen. Er will sich verabschieden, weil er gestern im Dumaluan Resort etwas überstürzt aufbrechen musste, als sich eine Mitfahrgelegenheit bot. Das schlechte Gewissen hatte an ihm genagt. Er hat das Bedürfnis, sich ordentlich und mit genügend Zeit zu verabschieden. Auch das sind die Philippinen.
Pit-os, Dorf des Elends in Cebu
Am Kai in Cebu City warten Kati und Jack. Wir haben nur noch drei Stunden Zeit, bis unser Flieger nach Manila startet. Kati und Jack wollen uns ein Umsiedlungsgebiet der Städtischen Armen am Rande von Cebu City zeigen, wo die Organisation VICAP, in der Jack mitarbeitet, eine Kindergartenschule plant. VICAP heißt Visayas Community Assistance Program, also Gemeindehilfsprogramm der Visayas. Die Visayas sind die mittlere Inselgruppe der Philippinen, Panay, Negros, Cebu, Bohol und kleinere. Das Dorf heißt Pit-os, was Elend bedeutet. VICAP hat dort eine Musterfarm, auf der sie Schulungen kleiner Bauern durchführt, nicht nur zur Ertragssteigerung, sondern auch unter Gesichtspunkten der Zukunftsfähigkeit. Die neuen Probleme auch durch die Zwangsumgesiedelten aus der City und die schlechte Infrastruktur der Randgemeinden hat dazu geführt, dass VICAP den Menschen in diesen Bereichen nur helfen kann, wenn das Problem der Kinderunterbringung und –erziehung befriedigend gelöst wird.
Erziehungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche haben aus einem weiteren Grund eine wachsende Bedeutung. Die Zahl der Straßenkinder nimmt zu. Die neue philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo hat dies als eines der größten Probleme bezeichnet, wobei sie als Anzahl von Straßenkindern 600.000 nannte. Eher wäre aber von einer Millionenzahl auszugehen. Weiterhin wächst in den Metropolen, vor allem neben Manila in Cebu City, die Kinderprostitution in beängstigendem Ausmaß. Davon schreckt auch wegen der erwiesenen Korruption der Polizei die Androhung der Todesstrafe nicht ab. Viele Kinder werden im Einzugsbereich der Millionenstädte Opfer von Gewaltverbrechen, auch von Vergewaltigungen. Umgekehrt wächst die Kriminalität unter perspektivlosen Jugendlichen ohne Ausbildung beträchtlich.
Der philippinische Staat versagt bei der Schaffung eines angemessenen Schulsystems. Im vergangenen Jahr konnten nicht einmal genügend Klassenräume für die neu eingeschulten Kinder bereitgestellt werden, nach amtlichen Angaben fehlten etwa 20.000 Räume. Lehrer gibt es genug, aber es fehlt an Geld, sie einzustellen. Im Durchschnitt müssen sich jeweils acht Kinder ein Schulbuch teilen. Zwar ist der Schulbesuch kostenlos und Vorschulen wurden als Teil des Erziehungssystems erklärt, dennoch können viele Kinder nicht zur Schule gehen, da es kein bezahlbares Transportsystem zu den oft weit entfernten Vorschulen oder Schulen gibt.
Pit-os braucht dringend eine Kindergartenschule, die aber nur mit finanzieller Hilfe von außen gestartet werden kann. Da wir Kati gesagt hatten, dass Aktion Wasserbüffel gegebenenfalls ein weiteres Schulprojekt unterstützen würde, beschlossen Kati und Jack, uns Pit-os beziehungsweise die Musterfarm zu zeigen, wo die Schule eingerichtet werden würde. Ein ausgearbeiteter Projektvorschlag liegt vor. Das Hauptgebäude der Musterfarm ist einfach, aber luftig und ganzheitlich in einer Holzkonstruktion errichtet. In einem angebauten Raum, der dringend einer Renovierung bedarf, beschäftigt eine ehrenamtliche Hilfskraft einige Kinder, für die der Raum vorübergehend zur Verfügung gestellt wurde. Wir lernen Butch kennen, den Leiter der Einrichtung. Er hat eine sichere Ausstrahlung. Er ist wie Jack ein ehemaliger Priester. Wir überfliegen das Konzept und finden, dass die Grundsätze von Aktion Wasserbüffel mit diesem Konzept zum Tragen kämen. Es gefällt uns. Wir versprechen eine gründlich Prüfung. Kati erzählt uns von einem weiteren Siedlungsort der Städtischen Armen in Talisay, der ebenfalls dringend eine Kindergartenschule brauchte. Sie wird uns später per Email mehr Einzelheiten dazu mitteilen. Jetzt ist die Zeit zu knapp, wir verpassen fast unser Flugzeug nach Manila. Allmählich muss es ja auffallen, wenn wir immer als letzte den Flieger besteigen. Das Flugpersonal kennt uns bei unserem fünften Flug mit der Cebu Pacific schon. Eine Stunde später hat uns der Moloch Manila wieder.
Manila, alte Freunde und Abschied
Da wir jetzt die Reiseroutine wiedergewonnen haben gelingt es uns, ein Taxi für 250 Pesos zu unserem Hotel in Quezon City zu mieten. Vor drei Wochen hatten wir fast 600 Pesos bezahlt. Unser Hotel Danarra gibt uns schon fast das Gefühl, nach Hause zu kommen. Es warten einige Nachrichten auf uns: Schwester Mary von der Menschenrechtsorganisation Task Force Detainees, TFD, mit der uns seit Jahren eine Freundschaft verbindet, wird morgen kommen. Sie ist Nonne, wie fast alle Mitarbeiterinnen der TFD, und sie ist Engländerin, aber seit dreißig Jahren auf den Philippinen. Unsere Freundin Sol Jubilan, die Menschenrechtanwältin aus Mindanao, die schon zweimal in Jülich war und auf unseren Vorschlag hin 1988 von Bundespräsident Von Weizsäcker zum Tag der Menschenrechte empfangen wurde, ist zur Zeit bei einem Kongress in Manila. Sie bittet um Rückruf in ihrem Hotel, damit wir uns vor ihrer Abreise heute kurz sehen können. In diesem Jahr konnten wir nicht zu ihr nach Kidapawan kommen, weil unser Reiseprogramm voll war. Leider klappt der Rückruf nicht, die Hotelangestellte findet ihren Namen nicht unter den Gästen. Es stellt sich später heraus, dass sie unter dem Namen der Organisation, die sie beim Kongress vertrat, aufgeführt war. Leider kann man in Manila nicht einfach ein Taxi nehmen und hinfahren. In der Rush-Hour dauert die Fahrt über 10 Kilometer zwei Stunden.
Die dritte Nachricht ist von Titing. Er fragt an, ob er heute nachmittag mit seiner Freundin Alma vorbeikommen kann. Er möchte sie uns vorstellen, weil er uns als eine Art Ersatzeltern betrachtet. Titing ist der Student oder vielmehr jetzt Ingenieur, der von Aktion Wasserbüffel während seiner fünfjährigen Ausbildung gefördert wurde. Er ist im Waisenhaus der PAGSAGOP-Stiftung von Sol Jubilan aufgewachsen und hat in Kidapawan studiert. Wir wollten sein bestandenes Examen mit ihm feiern und hatten ihn nach Manila eingeladen, da wir keine Zeit hatten, nach Kidapawan zu kommen. Wir haben Flug und Aufenthalt bezahlt. Titing war froh über diese Einladung, denn das hat ihm die Möglichkeit gegeben, seine Freundin zu sehen. Sie ist in Manila, weil sie als Sängerin und Tänzerin auf eine Japantournee ihres Ensembles vorbereitet wird. Als Titing kommt, laden wir ihn mit seiner Freundin zum gemeinsamen Feiern am nächsten Abend ein. Zwar hat sich auch Maria Socorro (Cookie) Diokno, die Generalsekretärin der Vereinigung der Menschenrechtsanwälte FLAG, für den Abend angesagt, aber es ist auf den Philippinen nie ein Problem, mehrere Freunde gleichzeitig zu Besuch zu haben. Es wird ein schöner Abend. Titing hat sich das Studium mit viel Energie erarbeitet. Er hat ein sehr gutes Examen gemacht. Aber er hat sich auch während des Studiums politisch engagiert. Eine Zeitlang war er Präsident der Studentenvereinigung. Er sieht, dass er den Vorzug hatte, eine gute Ausbildung an einer technischen Schule zu erhalten und er will sich in Zukunft für Kinder aus armen Verhältnissen einsetzen.
Cookie sprüht wie immer vor Energie. Sie hat viel zur politischen Situation und zu Menschenrechten zu erzählen. Zwar hatte sie den Populisten Estrada, den wegen Korruption abgesetzten Präsidenten, mit Kritik und Vorbehalten gesehen und ihn nie für den Kumpel der Armen, wie er sich selbst nannte, gehalten, aber sie sah bei ihm Ansätze, für die Menschenrechte etwas zu erreichen. Er sei ein sehr spontaner, emotionaler Mensch gewesen. Wenn es ihr gelang, ihm innerhalb von zwei Minuten – länger konnte er sich nicht konzentrieren – ein Thema wie zum Beispiel die Todesstrafe emotional nahe zu bringen, hatte sie die Möglichkeit, etwas zu erreichen. Die neue Präsidentin sieht sie als sehr kühle, vor allem auf Wirtschaft konzentrierte Frau an. Cookie ist besorgt über das Engagement von Titings Freundin in Japan. Sie fragt nach der Agentur, die die Vermittlung gemacht hat. Für junge Frauen ist ein solches Engagement oft sehr gefährlich, wenn die Agentur nicht nachweisbar seriös ist. Sie gibt Alma eine Ansprechadresse in Japan für den Fall, dass sie Probleme haben sollte.
Am Tag unseres Abfluges treffen wir wieder Schwester Mary. Wir besichtigen im Büro der TFD die Ausstellung zum Kriegsrecht unter Marcos, die sie zusammengetragen hat. Wir haben selten eine so gute Dokumentation gesehen. Selbst die alten Plakate aus den Zeiten des Widerstandes gegen Marcos sind fast vollständig vorhanden, darunter die berühmten Plakate, die Ed de la Torre, der ehemalige Priester und spätere bewaffnete Widerstandskämpfer und noch später Reformer in der Regierung Estrada, entworfen hat. Mary geht dann mit uns ins Einkaufszentrum Robinsons in der Nähe des EDSA Shrine am berühmten Boulevard EDSA, wo die philippinischen Revolutionen mit dem Schlagwort Peoples Power immer ihren Ausgang nehmen. Auch die jetzige Präsidentin hat dieses Zauberwort bei der Absetzung Estradas bemüht. Cookie ist der Meinung, dass es weniger Peoples Power, also Revolution des Volkes war, als vielmehr ein geschickt eingefädelter, verdeckter Staatsstreich des Militärs, der einflussreichen Familien und der katholischen Kirche. Mit Mary kaufen wir bei Robinsons philippinische Handarbeiten, darunter die Wasserbüffel aus Ebenholz, unsere Wahrzeichen.
Abends um elf Uhr sind wir zum Abflug im internationalen Flughafen NAIA von Manila, der nach dem unter Marcos ermordeten philippinischen Oppositionsführer Benigno Aquino benannt ist. Alle Reisenden und "Herumlungernden" werden von bewaffneten Polizisten aufgefordert das Gelände vor dem Flughafen und die Straßen zu räumen. Es herrscht viel Nervosität, anscheinend hat es eine Bombenwarnung gegeben. So setzen wir uns in das triste Restaurant, bevor wir mit dem Flug der Emirates in Richtung Dubai starten.